Beim Frühstück im Hotel am Markt treffen wir wieder den Herrn mit dem Liegefahrrad und seine beiden Begleiterinnen. Die drei wollen auch heute bis Heede fahren. Die Strecke ist mit ihren 54 km zwar ein bisschen lang, aber die einzige Alternative mit Unterkünften wäre Lathen gewesen. Dort gab es aber kein einziges Hotelzimmer mehr. Als wir später an der Rezeption auschecken, sehen wir die Dreiergruppe schon mit den Rädern auf die Strecke gehen. Wir lassen den Tag heute langsamer angehen. Das trübe Wetter motiviert uns nicht zum frühen Aufbruch. Wenigstens aber ist es trocken.
Die heutige Strecke beginnt einfach wunderschön. Schon bald lockern die Wolken auf und lassen immer mehr blauen Himmel sehen. Gleich in der Altstadt von Meppen stoßen wir auf den Radwanderweg, der kilometerlang am linken Emsufer entlangführt. Wir sind so geblendet von der Schönheit der Flusslandschaft, dass wir die Abfahrt nach links verpassen und schließlich stecken bleiben, weil der Uferweg an einem Seitenarm der Ems nicht mehr weitergeht. Mit google maps erkennen wir unseren Fehler und kehren um. Nach wenigen Minuten finden wir die Stelle, bei der wir die Ems hätten verlassen sollen und folgen wieder den roten Pfeilen des Emsradweges. Der führt noch eine Weile an dem Seitenarm der Ems entlang, der sich uns hier entgegenbeugt, und quert schließlich die Alte Ems, einen weiteren Emsaltarm, der das malerische Naturschutzgebiet Borkener Paradies einrahmt. Es handelt sich hier um eine sog. Hudelandschaft, einem wie in früheren Jahrhunderten als Weideland genutzten ehemaligen Urwaldgebiet. Es ist geprägt von mehrhundertjährigen Buchen, Auenwäldern und Weiden, Verlandungszonen und offenen Dünen. Es weiden in diesem Gebiet Rinder und Pferde.
Wir verlassen das Paradies wieder an der Stelle, wo die Alte Ems in den Dortmund-Ems-Kanal mündet. Jetzt geht es mal links, mal rechts am Kanal entlang durch Wiesen- und Weidenlandschaft bis zum Fischerort Haren, den wir im Rande umfahren.
Wir folgen jetzt wieder im Abstand den Windungen der Ems bis wir Lathen erreichen, wo wir ursprünglich hatten übernachten wollen. Nachdem hier kein Zimmer mehr frei war, haben wir in Heede, einem kleinen Kirchdorf an der Emsradstrecke, eine Unterkunft in der „Radlerscheune“ gebucht. Bis Heede sind es jetzt noch 18 km. Wir würden uns hier in Lathen gerne bei einem heißen Kaffee ein wenig aufwärmen. Auf der Suche nach dem Stadtzentrum sprechen wir eine ältere Dame an. Sie meint, es gebe kein richtiges Zentrum. Sie deutet in eine Richtung und meint: „Da hinten ist ein Aldi, ein Lidl und ein Rossmann, mehr aber nicht. Wenn Sie einen Kaffee trinken wollen, gehen Sie am besten hier hin.“ Sie zeigt auf die Eisdiele auf der anderen Straßenseite. Dort kehren wir tatsächlich ein. Wir sind die einzigen Gäste. Es ist schön warm hier und der Chef aus Italien ist sehr freundlich. Er beklagt sich sehr über das Wetter und die eisigen Temperaturen. Da sei es in seinem Heimatland schöner.
Die letzte Strecke absolvieren wir schneller als gedacht, obwohl wir bei Steinbild versehentlich vom Weg abkommen und auf die Straße geraten statt weiter am Emsufer entlang zu fahren. Eine Passantin zeigt uns, wie wir schnell wieder ans Ufer kommen. Sie rät uns ab, durch den Ort Steinbild zu fahren. Am Emsufer sei es viel schöner. Wir müssen ein Kindergartengelände durchqueren, um wieder auf den Uferweg zu gelangen. Das dürfe man aber, hatte uns die Dame versichert. Die Ems teilt sich an dieser Stelle ihr Bett mit dem Dortmund-Ems-Kanal.
Kurz darauf wechseln wir hinüber ans andere Ufer und bleiben nah am Fluss bis Heede, wo der Radweg nach links abknickt und in den Ort hineinführt. Gleich am Ortseingang sehen wir die „Radlerscheune“, in der wir heute übernachten werden. Es ist erst 16:00 Uhr und wir beschließen, uns den Ort erst einmal anzuschauen und ein Restaurant für den Abend zu suchen. Nach wenigen Hundert Metern stoßen wir auf das Café/Restaurant „Am Turm“, das gegenüber der Dorfkirche liegt. Ein Stück weiter im Dorfzentrum gibt es noch ein Hotel mit Restauration. Wir entscheiden uns für „Am Turm“, weil der Rückweg zur Radlerscheune später im Dunkeln für uns bequemer ist.
Nachdem diese wichtige Entscheidung getroffen ist, suchen wir zuerst einmal unsere Unterkunft auf. Das Ehepaar, das die Radlerscheune betreibt ist überaus gastfreundlich und sympathisch. Wir erhalten ein kleines aber sehr feines Zimmer mit Blick auf den Vorplatz mit Sitzgruppe. Für unsere Räder gibt es eine große Garage mit Aufladeplätzen. Es ist unglaublich ruhig hier am Rande des kleinen Dorfes weitab von irgendwelchen lauten Straßen. Wir legen uns ein halbes Stündchen aufs Ohr und ruhen uns aus von der langen Tour. Gegen 17:00 Uhr wachen wir von einem irrsinnigen Getöse auf. Draußen pustest jemand mit einem elektrischen Laubbläser das herbstliche Laub von der Straße. Der Himmel ist inzwischen vollständig aufgerissen und die Abendsonne leuchtet hell auf die herrlichen herbstlichen Laubbäume der Allee. Es läge nahe, einen kleinen Abendspaziergang zu machen. Aber der Höllenlärm draußen hält uns davon ab. Wir schließen lieber das Fenster und lesen ein wenig oder schreiben Tagebuch.
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