Von Marklohe nach Verden (Etappe 8)

Montag, den 27.06.2022

In der Nacht hat es schwer gewittert. Trotzdem bin ich wieder früh um 7 Uhr schon wach und lade wie jeden Morgen einige Bilder unserer gestrigen Etappe hoch in meinen Status bei WhatsApp. Wir frühstücken diesmal nicht draußen. Ein dichter Nebel hängt über der Landschaft.

Unsere freundliche Wirtin beschreibt uns, wie wir auf dem schnellsten Wege zum Weserradweg zurückkehren können. Es herrscht immer noch dichter Nebel. Die Luft ist so feucht, dass wir gleich die Regenjacken anlegen. Auf einer sehr ruhigen Straße lassen wir uns den Berg hinabrollen und stoßen kurz vor Mehlbergen wieder auf den Weserradweg.

Vom Neuloher Hof zurück zum Weserradweg

In Drakenburg geht es laut meiner bikeline-Karte auf die rechte Weserseite hinüber. Johannes Radkarte zeigt einen ganz anderen Verlauf der Strecke. Demnach müssten wir links der Weser bleiben. Da aber die grünen Pfeile, die den Weserradweg markieren, mit meiner bikeline – Karte übereinstimmen, beschließen wir, uns an diesen Weg zu halten. Sie führt jetzt eine Zeit lang ganz nah an der Weser entlang und folgt jeder ihrer Windungen. Johannes Alternative wäre sehr viel kürzer gewesen. Ich hatte optimistischerweise eine kurze Hose angezogen heute Morgen. Die Luft ist aber so kühl heute, dass wir bei einer Schutzhütte anhalten, um uns wärmer anzuziehen. Wir betreten die Hütte und merken sofort, dass wir damit eine Schwalbe in große Bedrängnis bringen. Aus einem Nest unter dem Dach ertönt lautes Gezwitscher, während das Elterntier wild in der Hütte herumkreist. Schnell gehen wir wieder hinaus und ziehen uns dort um. Wir beobachten die Schwalbe noch ein wenig, die in erstaunlich kurzen Abständen Futter zu ihrem Nest bringt. Ein einzelner Radwanderer mit dick gepackten Satteltaschen fährt vorüber. Er grüßt nicht. Das fällt auf. Man sagt sich hier gewöhnlich „Moin“. Manche sagen „Hallo“. Aber jeder grüßt normalerweise auf der Radstrecke. Kurze Zeit später radelt wieder ein einsamer Herr mit Satteltaschen vorüber. Auch er grüßt nicht.

Bauernhaus in Rohrsen

Die Radroute, der wir folgen, sieht vor, in Schweringen mit der Fähre wieder auf die linke Weserseite überzusetzen. Als wir uns der Fähre nähern, sehen wir die beiden Herren von der Schutzhütte dort schon warten. Sie gehören offensichtlich zusammen und studieren ihre Karte. Wir stellen uns zu ihnen und erfahren, dass der Fährmann gerade Mittagspause mache. Man müsse eine Dreiviertelstunde warten, bis es weitergeht. Eine alternative Strecke gebe es offensichtlich nicht. Ich schaue in meine Karte und finde eine gelb markierte Alternativroute, die rechts der Weser verläuft und in Hoya, dem nächsten Ort, über eine Brücke die Weser quert. Die Herren freuen sich und der eine äußert: „Wie schön, dass wir soziale Wesen sind.“ Wir kommen ein wenig ins Gespräch mit den beiden. Sie kommen aus Hamburg und werden auf jeden Fall den gesamten Weserradweg bis Cuxhaven fahren, vielleicht sogar von dort aus noch weiter bis nach Hause. Sie machen uns Mut, auch die Tour ganz zu Ende zu bringen. Bisher hatten wir nur geplant, bis Bremen zu fahren. Von dort gibt es eine IC-Verbindung nach Kassel, wo unser Auto steht. Aber jetzt keimt eine kleine Hoffnung in mir auf. Vielleicht fahren wir wirklich weiter bis Cuxhaven: Bisher schien mir der Rücktransport der Räder von dort nach Bremen schwierig. Doch jetzt erfahren wir von den Herren, dass der Bahnhof Cuxhaven ein Endbahnhof ist und man gute Chancen hat, von einem Regionalzug mit den Rädern mitgenommen zu werden. Johannes hatte von Anfang an für nur eine Woche Radwanderung plädiert. Aber er hat so viel Freude gezeigt auf den bisherigen Etappen, dass ich guter Dinge bin, ihn überzeugen zu können, die Tour ganz bis Cuxhaven zu fahren.

Weserradweg, Alternativroute zwischen Schweringen und Hoya

Die Alternativroute verläuft zunächst auf einer Landstraße und zweigt schließlich auf einen Zickzackkurs durch Felder ab, vorbei an einem Naturfreibad, dann wieder für kurze Zeit ganz nah am Fluss und schließlich auf gerader Linie genau auf die Stadt Hoya zu, die zu einer „Samtgemeinde“ gehört, der Samtgemeinde Grafschaft Hoya. Was für ein schönes Wort, wie Samt und Seide. Diese Bezeichnung haben wir jetzt schon mehrfach gelesen hier in Niedersachsen. Es handelt sich dabei um einen Gemeindeverband zwecks Zentrierung gewisser öffentlicher Aufgaben.

Weserbrücken in Hoya

In Hoya hatten wir auf einen Weserpark mit Liegebänken gehofft, um hier unsere Mittagspause zu machen. Es gibt hier aber nichts dergleichen. Schon sind wir fast wieder aus der Stadt heraus, als Johannes mich zurückruft. Ein unscheinbares Schildchen mit der Aufschrift „Weserpromenade“ weist auf einen schmalen Pfad, der an die Weser führt. Wir hatten uns unter Weserpromenade etwas ganz anderes vorgestellt. Hier promeniert niemand. Dafür ist der hoch über der Weser verlaufende durch ein Geländer abgetrennte asphaltierte Weg auch viel zu schmal. Zur Stadt hin ist er durch eine hohe Mauer begrenzt. ein recht unattraktiver Aufenthaltsort wie wir auf den ersten Blick finden. Allerdings gibt es eine Bank. Und sitzt man erst einmal darauf, weiß man den Aufenthalt hier sehr zu schätzen. Die Promenade gehört uns ganz allein wie ein Privatbalkon. Wir verspeisen unsere Brötchen mit bester Aussicht auf die zwei blauen Brücken und das gegenüberliegende Ufer.

Hoya mit St. Michaelkirche von der Weserpromenade aus gesehen

Unser Ziel für heute ist Verden mit Vogel-V. Man spricht es auch mit V wie Vogel. Die Strecke von Hoya bis dorthin geht durch Wiesen und Felder, vorbei an Minigehöften und herrlichen Häusern aus rotem Backstein. Bei einer idyllischen Sitzgruppe unter Bäumen muss ich anhalten und ein Foto machen. Wie sich herausstellt, handelt es sich um den „Adelheidshof“, ein Seminarhaus. Es muss schön sein, hier ein Seminar zu besuchen und mit der Gruppe in diesem Garten zusammen zu sitzen.

Adelheidshof in Magelsen
Gehöft am Wegesrand des Weserradweges zwischen Hoya und Verden

Wir sehen keine Chance auf ein Eis oder einen Cappucchino irgendwo. Es tauchen überhaupt keine größeren Ortschaften auf. Aber wozu brauchen wir kommerzielle Angebote? Wir halten einfach bei einer Bank unter einem Kirschbaum und setzen uns hin. Tausende von Vögeln zwitschern in diesem Baum. Ein herrliches Konzert. In diesem Moment radeln unsere beiden Hamburger Freunde von der Fähre an uns vorbei und grüßen fröhlich mit einem „Hallo“. Auch wir brechen bald wieder auf, durchqueren noch eine kleine Ortschaft namens Oiste und gelangen dann auf eine Autostraße mit parallellaufendem Radweg. Auf dieser Straße bleiben wir bis Verden. Sie überquert zunächst die Weser und eine Viertelstunde später die Aller. Auf der Allerbrücke holen wir die Herren aus Hamburg wieder ein. Zu unserer Überraschung suchen sie dasselbe Hotel auf wie wir, Thöles am Allerpark Verden, Reeperbahn 1. Als wir unsere Räder in der Fahrradgarage des Hotels unterbringen, wundern wir uns über die zahllosen anderen Räder, die dort bereits sorgsam in Reih und Glied aufgestellt sind. Das Geheimnis dieser Ansammlung wird sich morgen früh beim Frühstück lüften.

Verden mit Dom, von der Allerbrücke aus gesehen

Wir beziehen unser schön großes Hotelzimmer mit den bodentiefen Fenstern zum Park hinaus und legen uns ein Stündchen aufs Ohr. Die ehemals zweigeteilte Dom-Stadt Verden hat eine geschichtsträchtige Altstadt, bei der die Königin Christina von Schweden und der Seeräuber Störtebecker eine Rolle spielen. Wir begeben uns auf einen Stadtrundgang und wundern uns darüber, dass neben dem Dom gleich noch eine imposante Kirche steht. Welche von den beiden Kirchen ist überhaupt der Dom? Da spricht uns eine Dame an und fragt, ob sie uns helfen könne. Wir lassen uns gerne von ihr etwas erzählen über die Kirchen von Verden. Die Kirche, vor der wir gerade stehen, sei St. Andreas. Schließlich verabschiedet sie sich und wir bedanken uns mit den Worten, sie sei der Engel von Verden. Darauf hin meint sie zu uns, sie sei „ein singender Engel“. Sie singe nämlich im Kirchenchor von St. Andreas und sei gerade auf dem Weg zur Chorprobe. Das gefällt uns. Am liebsten würden wir gleich mit zur Probe gehen.

Innenstadt von Verden

Zum Draußensitzen ist es heute ein wenig zu kühl. Außerdem haben fast alle Restaurants, von denen es eine große Zahl gibt in Verden, montags ihren Ruhetag. Zum Glück finden wir einen Italiener, bei dem es uns ausgesprochen gut gefällt und auch lecker schmeckt.

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