Dienstag, der 28.06.2022
Als wir den großen Frühstücksraum unseres Verdener Reeperbahnhotels betreten, erblicken wir unsere beiden Hamburger Freunde von der Fähre. Sie sind bereits fertig mit dem Frühstück und unterhalten sich angeregt mit einem Paar, das noch bei Tisch sitzt. Sie sind ja doch kommunikativer, als wir dachten, die beiden. Doch schlagartig wird uns klar, dass es sich hier um eine geführte Radwandergruppe handelt. Draußen im Flur hatten wir schon mindestens 20 dicke Rollkoffer in einer Reihe stehen sehen. Die meisten Gruppenmitglieder lassen offensichtlich ihr Gepäck transportieren. Unsere Hamburger Herren jedoch nicht. Wir verstehen jetzt auch die Bemerkung, die sie gestern uns gegenüber geäußert haben. Sie meinten, dass sie ihr Gepäck lieber selbst transportierten, statt 300 Euro für den Transport zu zahlen. Über Gepäcktransport hatten wir uns noch nie Gedanken gemacht. Die neue Erkenntnis erklärt auch, warum so viele Räder in der Fahrradgarage stehen und nicht zuletzt auch die Tatsache, dass die beiden Herren uns nicht gegrüßt haben gestern. Bei solch einer Gruppenreise sind die Teilnehmer immer sehr aufeinander bezogen und nehmen Fremde eher selten wahr. Auch in der momentanen Situation im Frühstücksraum erkennen sie uns gar nicht wieder. Wir werden sie ab sofort nicht mehr unsere Freunde nennen. Da war die Begegnung mit unseren Freundinnen aus Süddeutschland doch eine ganz andere Geschichte.
Mich beunruhigt von Tag zu Tag mehr, dass wir für den IC von Bremen nach Kassel noch keine Fahrradstellplätze reserviert haben. Inzwischen weiß ich ja in etwa, wie lange wir noch unterwegs sein werden, seit nämlich gestern in mir der Gedanke aufgekeimt ist, tatsächlich die gesamte Weserroute bis Cuxhaven zu fahren. Heute ist Dienstag und wir werden heute Bremen erreichen. Danach sind noch etwa 130 km zu bewältigen. Daraus können wir zwei oder drei Etappen machen. Wir brauchen die Stellplätze also für kommenden Freitag oder Samstag. Die Strecke von Cuxhaven nach Bremen müssen wir mit Regionalzügen fahren, für die wir das 9 Euro-Ticket benutzen können. Welches Ticket es dazu passend für die Räder gibt, haben wir noch nicht herausgefunden. Andere Radwanderer hatten von einem 6 Euro-Ticket für Fahrräder erzählt. Ich finde dazu leider nichts im Internet. Verden hat aber einen Bahnhof. Es bietet sich an, dass wir uns dort heute einmal beraten lassen.
Zum Glück gibt es am Bahnhof auch einen Schalter und nicht nur Ticketautomaten. Wir müssen nicht lange warten bis wir an der Reihe sind. Die Schalterbeamtin schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, als sie hört, dass wir noch keine Stellplätze für den IC reserviert haben. „Seit letztem Wochenende hat doch NRW Sommerferien. Die fahren alle an die Nordsee. Auch Dänemark hat Ferien und die kommen auch total gerne nach Deutschland rüber. Sie können froh sein, wenn Sie überhaupt ein Hotelzimmer bekommen in Cuxhaven.“ Ich beobachte sie bange bei ihrer Recherche im Datensystem der Bahn. Nach längerer Suche heißt es: „Am Sonntagnachmittag um 16:37 Uhr gibt es noch zwei Plätze.“ Das ist leider sehr spät. Wir wollen in Kassel ja noch meinen Freund Bruno und seine Frau besuchen. Ich denke darüber nach, doch auf Cuxhaven zu verzichten und frage, ob es nicht vielleicht auch übermorgen einen Zug gebe. „Da verlieren sie doch wertvolle Urlaubstage“ entgegnet sie. „Machen Sie das nicht.“ Wie recht sie hat. Erleichtert stimme ich dem Sonntagszug zu. Gleich bucht sie uns auch noch Fahrradtickets für die Strecke Cuxhaven-Bremen dazu. Das sind die berühmten 6-Euro-Tickets. Sie gelten in ganz Deutschland für den Nahverkehr, allerdings nur für den einen festgelegten Tag. Dankbar für die Lösung all unserer Probleme erkläre ich die engagierte Beamtin zum Engel unserer Urlaubsreise.
Noch einmal passieren wir die Verdener Innenstadt und folgen gleich wieder dem Weserradweg, der zuerst durch Wiesen und Felder führt. Über uns fliegt ein Storch, von dem mir eine schöne Aufnahme gelingt.
Kurz nach der Mündung der Aller in die Weser beginnt ein schnurgerader Schleusenkanal, der von einem Deich eingedämmt wird. Am Fuße des Deiches verläuft die Radstrecke ebenfalls schnurgerade. Einmal klettern wir auf den Deich hinauf, um uns den Kanal anzusehen und um in einem Foto festzuhalten, wie flach das Land inzwischen aussieht, das wir durchfahren.
Unser erstes Zwischenziel ist Achim, eine Stadt, deren Zentrum ganz oben auf einem Berg liegt. Dieser Abstecher ist auch wieder keine gute Idee wie schon bei Bad Oeynhausen. Der Weg hinauf in die Innenstadt ist umständlich und lang. Die Ausschilderung lässt zu wünschen übrig. Schön ist, dass wir an der 1761 erbauten sehenswerten Galerie-Holländer-Windmühle vorbeikommen, dem Wahrzeichen von Achim.
Als wir das Zentrum von Achim erreichen, ist offensichtlich gerade Schulschluss. Ströme von Kindern mit Schultaschen ergießen sich in die Innenstadt und versorgen sich mit einem Mittagsimbiss.
Wir setzen uns in eine Eisdiele und denken bei einem Eiskaffee darüber nach, wie wir die restliche Strecke bis Cuxhaven einteilen sollen. Es steht ja jetzt fest, dass wir am Sonntag die Rückfahrt antreten werden. Also stehen ab Bremen vier Tage für die 130 km lange Strecke bis Cuxhaven zur Verfügung. Es liegt nahe, drei Etappen daraus zu machen und einen Tag Aufenthalt zu nehmen in einer Stadt. Sollen wir dafür Bremen oder lieber Cuxhaven nehmen? Die Entscheidung ist nicht leicht. Wir beschließen, in Bremen einen Tag lang zu bleiben. Die letzte Etappe können wir ja so kurz wählen, dass wir in Cuxhaven auch noch einen halben Tag Zeit haben. So denken wir jetzt noch.
Von Achim aus wieder den Radweg zu finden, ist nicht so leicht. Wir haben viel Zeit verloren durch den Abstecher. Bis Bremen sind noch 30 km zu fahren und es ist schon 14 Uhr. Der Radweg führt fern der Weser an lauten Straßen entlang. Die Sonne brennt auf uns herab. Es gibt keine einzige Bank am Wegesrand für unser Mittagsbrötchen. Dann übersehen wir auch noch den grünen Pfeil an einer Stelle und verfahren uns. Meine Laune droht abzustürzen. Dann endlich eine Bank. Sie steht zwar mitten in der Sonne, wir sind aber inzwischen so zermürbt, dass wir sie trotzdem nehmen. Kaum sitzen wir, ist schon klar, dass wir hier nicht bleiben können. Es ist nicht auszuhalten ohne Schatten. Wir steigen wieder auf und fahren weiter. In Thedinghausen endlich erblicken wir eine herrliche schneeweiße Bank im tiefen Schatten eines Hauses. Sie lockt uns so sehr, dass wir beschließen, uns hier hinzusetzen, obwohl sie offensichtlich Privatleuten gehört. Wir schellen an der Haustür, um zu fragen, ob wir uns auf die Bank setzen dürfen. Es öffnet niemand. Wir setzen uns.
Frisch gestärkt und wieder bei bester Laune setzen wir die Fahrt im Zickzackkurs über verschiedene Landstraßen fort. Wir durchqueren einige kleine Ortschaften bis wir in Dreye wieder die Weser erreichen. Es dauert nicht mehr lange, bis Bremen uns mit einer herrlichen asphaltierten Radstrecke oben auf dem Weserdeich fahrradfreundlich empfängt. Am Werdersee, einem breiten Weserseitenarm gibt es sogar einen Sandstrand, bei dem wir unerwarteterweise noch einen Badestopp einlegen können.
Von hier aus sieht man schon die Spitzen des Doms von Bremen. Wir fahren über die Wilhelm-Kaisen-Brücke gleich mitten ins Zentrum von Bremen hinein. Die unglaublich eindrucksvollen historischen Bauten berauschen uns geradezu. Wir radeln quer über den Marktplatz, am Dom und am Rathaus vorbei, kreuzen Bahngleise und eine Mühle im Blumenmeer. Was für eine herrliche Stadt. Schön, dass wir hier einen ganzen Tag bleiben werden.
Unser Hotel „Bremer Haus“ liegt relativ nah am Zentrum, gleich hinter dem kreisbogenförmigen Stadtgarten, der zusammen mit der Weser die Bremer Altstadt einschließt. Wir verzichten auf ein Erholungsschläfchen, machen uns nur ein wenig frisch und brechen auf in die atemberaubende Hansestadt, die auch das pulsierende Herz Nordwestdeutschlands genannt wird.
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