Donnerstag, der 30.06.2022
„BREMEN BRINGTS“ So habe ich den gestrigen ganzen Tag in Bremen für mich überschrieben. Es war ein intensiver Tag voller Eindrücke und Erlebnisse, die ich hier nicht alle schildern möchte. Nur drei kleine Begebenheiten werde ich erzählen. Die Dame von der Touristeninformation hatte uns empfohlen, mit der Bahn einmal ins „Viertel“ zu fahren, dem Multikulti-Szeneviertel von Bremen, und dort ein wenig an den vielen Geschäften und Shops vorbei zu flanieren. Diesem Rat sind wir gefolgt, was uns durch das 9 Euro-Ticket schön einfach gemacht wurde. Beim Flanieren kamen wir auch an mehreren Designer-Friseuren vorbei. Ich ärgerte mich schon seit Tagen über meine viel zu langen Ponyfransen, die mir ständig in den Augen hängen. Bei dem Salon HAAR-MONIE, dessen Name mir gefiel, wagte ich es schließlich, einzutreten und mir den Pony schneiden zu lassen. Die Herren Friseure empfingen mich überaus freundlich in ihrem elegant gestylten Laden, in dem einige junge Männer die ausgefallensten Frisuren erhielten, und einer von ihnen kürzte mir ohne viel Federlesens die lästigen Fransen.

Als wir schließlich wieder in der Altstadt ankamen, besuchten wir unter anderem die Kirche „Unser lieben Frauen“. Da sich nicht sehr viele Besucher darin aufhielten, wagte ich wieder einmal das volktümliche Dona-Nobis-Pacem zu singen. Ich sang es zuerst ganz leise, um mir Mut zu machen. Dann wiederholte ich es laut und kräftig. Kaum hatte ich den ersten Ton erklingen lassen, hörte ich, wie jemand mit einstimmte. Eine Frau erhob sich und stellte sich neben mich. Als wir fertig waren, flüsterte sie mir zu, ob ich den ganzen Kanon kenne. Ja, sagte ich. Dann sangen wir den Kanon und unsere zwei Stimmen füllten den hohen Kirchraum. Ein wunderschönes und überraschendes Erlebnis.
Als wir am Abend zu Fuß in unser Hotel zurückkehrten, waren wir uns an einer Stelle unsicher, wo wir langgehen mussten. Neben uns hielt eine junge blonde Frau auf einem knallgelben Roller und fragte uns, ob sie uns helfen könne. Sie fragte nach dem Namen unseres Hotels und erklärte und dann den Weg. Wir kamen noch ein wenig miteinander ins Gespräch und erfuhren, dass ihr Roller gerade auf dem letzten Tropfen Benzin fahre. Das habe ihre Tochter verschuldet, die mal wieder die Hinweise auf den niedrigen Benzinstand ignoriert habe. Ich wunderte mich, dass diese hübsche junge Frau schon eine so alte Tochter haben sollte. Dann erfuhren wir auch noch, dass sie momentan ohnehin sehr im Stress sei mit Zeugniskonferenzen und Elterngesprächen. Gerade erst seien die mündlichen Abiturprüfungen vorbei. Wie interessant, sagte ich. Sie sind also ebenfalls Gymnasiallehrerin. Dann stellte sich heraus, dass sie wie ich Mathematik unterrichtet und dass wir uns sogar einmal bei einem Mathematikwettbewerb, den wir beide regelmäßig mit unseren Leistungskursen besucht hatten, hätten begegnen können. Wir verabschiedeten uns sehr herzlich voneinander und sie rollte langsam davon mit ihrem letzten Tropfen Benzin.

Nun fahren wir schon wieder schwer bepackt mit unseren Satteltaschen weiter gen Norden. Wir überqueren die Weser und folgen dem Weserradweg links der Weser, der uns heute durch den Landkreis Wesermarsch führen wird. Es dauert ziemlich lange, bis wir das Gefühl haben, Bremen endlich hinter uns zu lassen. Schließlich tauchen wieder kleinere Ortschaften und Bauerngehöfte auf. Gegenüber am anderen Ufer der Weser breitet sich immer noch Bremen aus mit großen Hafen-und Industrieanlagen.

Lange Zeit verläuft der Radweg oben auf dem Deich oder auf der Straße am Fuße des Deiches. Wir durchfahren langgestreckte Straßendörfer mit kleinen reetgedeckten Häusern, deren Vorgärten vorbildlich gepflegt sind. Hinter den Häusern ist bis zum Horizont nur Weideland zu sehen. Der riesige wolkenlose Himmel über dem flachen Land nimmt 90% des Blickfeldes ein. Es ist unerträglich heiß. Wir halten an, um etwas zu trinken. Wir haben vergessen, unsere Trinkflaschen aufzufüllen. In beiden Flaschen ist nur noch ein kleines Schlückchen. Wenn jetzt nicht bald ein Supermarkt auftaucht oder ein Restaurant, werden wir verdursten. In Berne-Bardenfleth erblicken wir eine Johanniterstation. Die wissen sicherlich, wo wir den nächsten Supermarkt finden können. Ein Mitarbeitet der Station kommt gerade aus der Tür heraus und wir fragen ihn danach. Er schüttelt nur den Kopf und meint, in ein paar Kilometern gebe es zwar einen Supermarkt, aber der habe jetzt über Mittag zu. Dann geht er wortlos wieder hinein und kommt mit zwei 1,5 -Liter-Flaschen Wasser und Apfelschorle wieder zu uns heraus. Er will kein Geld dafür nehmen. Mal wieder ein lebensrettender Engel!

In Piependamm finden wir ein schattiges Picknickplätzchen unter einem Baum. Es ist zwar keine Bank, aber ein grasbewachsener Hügel, auf dem wir bequem sitzen können. An dieser Stelle hat es einmal einen Siel gegeben, d.h. einen verschließbaren Wasserdurchlass im Deich. Das erfahren wir durch eine aufgestellte Tafel. Bei der Sturmflut von 1962 erwies es sich als Schwachstelle im Deich und wurde geschlossen.
Heute erweist sich Johannes KOMPASS-Routenkarte einmal als sehr hilfreich. Sie weist nämlich bei Elsfleth eine Eisenbahnbrücke über einen Schleusenkanal aus, die in meiner bikeline-Karte gar nicht als möglicher alternativer Radweg erwähnt wird. Wir schaffen es gerade noch bevor die Brücke hochgezogen wird, auf die andere Seite zu gelangen und kürzen damit die heutige Route um 7 km ab.

Den ganzen Tag schon macht Johannes Fahrrad immer schlimmer werdende Geräusche. Wir machen uns Sorgen, dass möglicherweise die letzten beiden Etappen nach Cuxhaven daran scheitern könnten. Hinzu kommt noch, dass bei meinem Rad plötzlich die Kette abspringt. Das kennen wir schon. Routiniert hebelt Johannes mit einem Stöckchen die Kette wieder auf das Zahnrad. Wir hätten vor der großen Fernwanderung besser die Räder noch einmal warten lassen. Wir können nur hoffen, dass wir bald irgendwo eine Fahrradwerkstatt finden werden.

Kurz bevor wir Brake erreichen, halten wir einmal an, um herauszufinden, ob es einen Badestrand an der Weser gibt. Ich würde sehr gerne bei der großen Hitze einmal in die kühlen Fluten tauchen. Ich klettere den Deich hinauf und sehe dort unten tatsächlich einen perfekten Sandstrand mit zwei Liegestühlen und einem Sonnenschirm an der hier schon sehr breiten Weser. Wir schließen die Räder ab, ich packe meine Badesachen in den Rucksack und wir überqueren den Deich. Der Badestrand gehört zu einem Campinggelände, das zum Glück nicht eingezäunt ist. Wir gehen an einem unbewohnten Campingwagen vorbei bis an den Sandstrand. Ich kleide mich schnell um und gleite ins Wasser. Ich schwimme stromaufwärts in Richtung einiger Badender, die weiter oben im Wasser stehen und sich unterhalten. Bei ihnen angekommen, frage ich, ob es ungefährlich sei, hier in der Weser zu schwimmen. Oh nein, heißt es, durch die Tide sei hier schon eine ganz starke Strömung. Ich meinte, dass die Strömung ja gegen Norden ginge zur Wesermündung hin. Nein, heißt es. Es sei gerade auflaufendes Wasser. Oh, entgegne ich, dann sollte ich wohl besser in die andere Richtung schwimmen. Die Herrschaften wollen wissen, woher ich komme. Aus Köln. Ach, wenn Sie von so weit herkommen, verzeihen wir Ihnen, dass Sie hier über Privatgelände hingekommen sind. Sie dürfen sogar gerne unsere Liegestühle unter dem Sonnenschirm benutzen. Ich bedanke mich und schwimme nun in die umgekehrte Richtung zurück zu Johannes. Jetzt merke ich die starke Strömung. Wenn ich nicht kräftig schwimme, bleibe ich auf der Stelle stehen.
In Brake wohnen wir in einer Unterkunft namens Kajüte direkt im Zentrum. Unsere freundliche Wirtin kennt einen Fahrradladen im Ort, der auch Reparaturen durchführt. Wir laden schnell ab und fahren auf direktem Weg zu dieser Werkstatt namens Fahrrad Gruß. Gleich erscheint eine junge Frau mit sehr kurzem Haarschnitt und tätowierten Armen. Sie erkennt sofort, dass Johannes Fahrradkette „tot“ sei. Kurzerhand sprüht sie sie mit Fett ein und dreht eine Proberunde mit dem Rad. Kein Geräusch mehr. Das Rad ist in Ordnung. Sie schaut sich auch mein Rad an, erklärt auch meine Kette für tot und erweckt sie wieder zum Leben. Das Abspringen der Kette hänge damit zusammen, dass sie zu sehr durchhänge. Um das Problem müssten wir uns nach der Radwanderung einmal kümmern. Sie pumpt noch beide Fahrräder auf und wieder einmal haben wir das Gefühl, einem Rettungsengel begegnet zu sein. Wir kaufen noch eine Pumpe, die allerdings sehr lang ist und in keine unserer Taschen reinpassen wird. Aber besser, wir haben ab jetzt eine Pumpe dabei. Mit den aufgepumpten Reifen fährt es sich jetzt merklich leichter.

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