Freitag, der 01.07.2022
Die heutige Etappe bis Bremerhaven ist nur etwa 33 km lang. Die morgige letzte Etappe dagegen 60 km. Ich hätte es lieber umgekehrt gehabt, damit wir am Ankunftstag noch etwas mehr Zeit in Bremerhaven hätten. Ich konnte aber kein freies Zimmer finden an dem Küstenstreifen zwischen Bremerhaven und Cuxhaven. Hinzu kommt, dass Bremerhaven sicherlich ein sehr interessanter Ort ist, um ihn sich näher anzuschauen.
Heute Nacht hat es stark gewittert und bei unserem Start auf den Weserradweg nieselt es, weshalb wir gleich die Regenjacken anziehen. Nach wenigen Kilometern schon halten wir es für angebracht, sogar unsere Regenhosen anzulegen. Schnell merke ich, dass meine schon uralte Regenhose sich von innen auflöst. Als ich sie über meine Jeans ziehe, rieselt weißes Mehl auf meine schwarzen Socken. Ich fluche und meine zu Johannes, das fehle mir jetzt gerade noch. Da hält neben mir ein junger Radfahrer und schaut mich fragend an. Ich meine zu ihm: „Meine Regenhose löst sich von innen auf.“ Er: „Scheiße!“ Kaum fahren wir weiter, hört es auf zu regnen. Wir behalten die Regensachen trotzdem an.
Der Radweg führt zunächst beim Fischereihafen von Brake über eine Hafenbrücke und verläuft dann wieder im Schutz des Deiches durch kleine Dörfer, deren Häuser jetzt auffälligerweise keine Reetdächer mehr haben. Auf dem Deich grasen immer wieder Schäfchen.
Meine Fahrradkette macht wieder Schwierigkeiten. Sie hat sich vermutlich noch weiter gelockert. Schon zweimal ist sie heute abgesprungen und zwar innerhalb kurzer Zeit. Johannes schaut sich die Sache etwas genauer an und meint, man müsse nur mein Hinterrad ein wenig nach hinten versetzen. Wir haben allerdings keinen Schraubenschlüssel dabei. Gerade kommt eine sehr junge Frau mit dem Fahrrad nach Hause und biegt in die Einfahrt, vor der wir stehen. Sie fragt uns, ob sie uns helfen könne. Die Einfahrt gehört zu einem kleinen Einfamilienhaus mit einem wunderbar gepflegten Vorgarten in der Ortschaft Rodenkirchen, deren Name uns an Köln erinnert, wo es einen Stadtteil namens Rodenkirchen gibt. Johannes erklärt ihr, dass wir einen Schraubenschlüssel bräuchten, wahrscheinlich einen 17-er. „Ich gehe mal nachschauen, ob ich einen habe“, sagt sie und geht ins Haus. Kurz drauf kommt sie mit mehreren Schraubenschlüsseln zurück. Der 16-er passt. Allerdings ist es doch komplizierter, als gedacht, mein Hinterrad nach hinten zu versetzen. Johannes schafft es lediglich, das Rad um wenige Millimeter zu verschieben. Aber vielleicht hilft das ja schon. Wir bedanken uns sehr herzlich bei der jungen Frau. Sie geht ins Haus und wir laden meine Taschen wieder auf. In diesem Moment fährt ein schicker Wagen in die Einfahrt und ein sehr junger geschniegelt aussehender junger Mann mit Anzug steigt aus. Auch er kommt gleich auf uns zu und fragt, ob er uns helfen könne. Johannes erwidert, dass seine sehr nette und hilfsbereite Frau uns schon geholfen habe. Ich wende Johannes gegenüber ein, es sei doch nicht gesagt, dass der Herr der Ehemann unserer Helferin sei. Doch, doch, entgegnet dieser. Sie ist meine Verlobte. Dann bietet er uns an, mit ihm hineinzugehen und noch einen Kaffee mit ihnen beiden zu trinken. Wir sind begeistert von dieser Gastfreundschaft und Offenheit gegenüber uns Fremden. Trotzdem lehnen wir die Einladung dankend ab und möchten lieber unsere Fahrt fortsetzen. Er lächelt dazu und wünscht uns eine gute Weiterfahrt.
Wir fragen uns, wie es möglich sein kann, dass ein so blutjunges Paar ein Haus am Deich bewohnt, dazu noch mit solch einem perfekt gepflegten Garten. In diesem Moment tritt ein älterer Herr aus der Haustür und bringt etwas in die Mülltonne. Er beachtet uns nicht.
Das nächste Highlight unserer heutigen Etappe ist die Mittagspause auf dem UNION-Pier von Nordenham. Meeresgeruch, Mövengeschrei, Schaukeln auf den Wellen, Blick auf die überbreite Weser, die genau hier in die Nordsee mündet. Wir zwei alleine. Es ist so unübertrefflich schön, hier zu sitzen. Johannes ist bestens gelaunt. Ich hatte solche Sorge gehabt, dass seine Orientierungslosigkeit in Zeit und Raum seine Freude an der Radwanderung trüben könnte. Aber das ist nicht der Fall. Er freut sich jeden Tag an jedem Klärwerk, an jeder 380 kV-Leitung, an jedem Kraftwerk. Kaum sitzt er auf dem Fahrrad, vergisst er, dass er nicht weiß, wo wir sind und wohin wir fahren. Aber, dass wir nach der Tour meinen Freund Bruno besuchen werden, der nicht nur mein, sondern auch sein Mathelehrer gewesen ist, das weiß er jeden Tag ganz genau. Seltsam.
Dann die Überfahrt von Nordenham nach Bremerhaven mit der Fähre. Was für ein großartiges Erlebnis! Welch überwältigende Eindrücke! Mein Lebensendorphinvorrat verbraucht sich gerade rapide. Links von uns die offene Nordsee, vor uns die imposante Skyline von Bremerhaven mit rätselhaftesten Gebäuden, deren Funktion wir später entdecken werden, gigantische Hafenanlagen mit Serien von Kränen.
Beim Verlassen der Fähre haben wir eine kleine Begegnung mit einem jungen Paar und der Floskel „Alles gut“, die seit Jahren bei jeder Gelegenheit in aller Munde ist. Besonders als Antwort auf die Frage, ob man helfen kann, hat das „Alles gut“ einen wie ich finde leicht abweisenden Charakter. Schöner fände ich „Nein danke“ als Anerkennung des Hilfsangebotes. Wir verlassen das Schiff auf einem von der Autospur abgetrennten schmalen Steg, der für die Fußgänger und Radfahrer vorgesehen ist. Vor uns geht ein junges Paar. Die beiden treten beiseite, um uns vorbei zu lassen. Ich bedanke mich und erkläre, dass wir lieber hinter ihnen bleiben werden. Wir seien ja viel zu dick mit unseren Taschen. Die junge Frau sagt daraufhin „Alles gut“ zu mir und wendet sich wieder nach vorne. Ich muss darüber erst einmal nachdenken. Welchen Sinn hat das „Alles gut“ denn in diesem Zusammenhang? Gar keinen. Als wir an Land treten, wende ich mich noch einmal kurz an die junge Frau und sage: „Alles gut passt nicht immer.“ Sie schaut verdutzt. Der junge Mann neben ihr lacht.
Wir wohnen im Havenhostel in der Bürgermeister-Schmidt-Straße, die sich schnurgerade durch die ganze Innenstadt von Bremerhaven und bis zum Kaiserhafen zieht. Unser Zimmer gefällt uns sehr gut. Nach einem Erholungsschläfchen holen wir uns noch einmal die Räder aus dem Fahrradschuppen und erkunden die Stadt. Vom Hostel aus sind wir schnell auf dem Deich, über den ein asphaltierter Radweg bis ins Zentrum führt. Auf dem Deich setzen wir uns auf eine Bank und lassen die von der Abendsonne beschienene Verschmelzung von Weser und Nordsee auf uns wirken.
Auf dem weiteren Weg in die Innenstadt passieren wir viele der wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Bremerhaven, das Klimahaus, den Zoo am Meer mit Nordsee-Aquarium, das Deutsche Auswandererhaus, die Bürgermeister-Schmid-Gedächtniskirche und das Stadttheater.
Den Abend der vorletzten Etappe lassen wir mit einem leckeren griechischen Essen in der Nähe unseres Havenhostels ausklingen.
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