Von Bremerhaven nach Cuxhaven (Etappe 12)

Samstag, der 02.07.2022

Auf unsere heutige letzte nicht ganz kurze Etappe starten wir wir schon gegen Viertel nach neun, damit wir in Cuxhaven noch etwas Zeit haben. Allerdings finden wir in Bremerhaven nicht gleich den Anschluss an die Radwanderstrecke und verlieren durch Irrfahren mindestens 20 Minuten. Schließlich helfen uns Einheimische und schicken uns durch das Zolltor in den Überseehafen. Vorbei an knallbunten beeindruckenden Riesenschiffen, Serien von Hafenkränen und pinkfarbenen Lastwagen dauert es ewig bis wir wieder durch die Landschaft fahren.

Hafenkräne von Bremerhaven

Es geht wie wir es schon kennen hinter dem Deich entlang durch kleine Dörfer. Das Wasserdelta weitet sich mehr und mehr zum Meer. Ab und zu klettern wir auf den Deich und schauen es uns an. Dort oben merken wir ganz deutlich, wie stark der Wind weht. Unten am Fuße des Deiches radelt es sich schon die ganze Zeit so wunderbar leicht, als flögen wir. Jetzt wissen wir, dass uns ein kräftiger Rückenwind schiebt. Von Zeit zu Zeit kommen uns Radwanderer entgegen, die sichtlich ackern müssen, um voran zu kommen. Das fällt uns jetzt erst auf.

Deich-Sturm-Frisur

Es macht riesigen Spaß, so ohne Anstrengung dahin zu sausen. Bald habe ich immer seltener Lust, für Fotos anzuhalten. Das flotte Radeln hat etwas Meditatives. Bis dann das besondere Haus in einem kleinen Ort hinter dem Deich auftaucht. Es sieht so ganz anders aus als alle anderen Häuser hier in der Gegend. Ich halte an, um es zu fotografieren. Johannes fährt schon weiter. Er kennt das schon. Ich werde ihn schon wieder einholen, glaubt er. Als ich gerade mein Handy hochhebe, um das Foto zu machen, erkenne ich, dass ein Mann im Vorgarten sitzt. Ich will ihn nicht ungefragt mit aufs Bild bringen und halte ihm das Handy hin und zeige mit der anderen Hand auf das Haus. Da erhebt er sich und winkt mich sehr überschwänglich zu sich heran. Andere würden gar nicht erst fragen, meint er. Das gefiele ihm, dass ich um Erlaubnis bitte. Ich solle es gerne fotografieren, sein Haus. Ich staune über dessen Schönheit und Besonderheit und frage, ob man denn aus den oberen Fenstern heraus aufs Meer schauen könne. Oh ja, heißt es. Ich solle doch einmal mit ihm hineingehen und mich selbst davon überzeugen. Das möchte ich dann lieber doch nicht tun. Johannes wird sich wundern, dass ich nicht nachkomme. Außerdem steht mein Rad mit allen meinen Habseligkeiten noch am Straßenrand. Der wettergegerbte Nordseemann schlägt alle meine Bedenken in den Wind und überredet mich, mit ihm hinaufzusteigen in die oberste Etage. Er reicht mir die Hand und stellt sich vor: Ich bin der Hauke. Ich heiße Alice, sage ich. Das Treppenhaus ist ganz aus Holz gebaut mit lauter liebevollen Details. Ich bestaune alles und er erzählt, er habe das Haus selbst entworfen und auch selbst gebaut. Ganz oben ist ein kleines Wohnzimmer eingerichtet. Er öffnet das rechte Fenster und tatsächlich. Man blickt auf eine Weidelandschaft mit Kühen und dahinter auf das Wattenmeer. Hauke zeigt mir, wie weit man schauen kann. Dort links sehe man bis Wilhelmshaven und rechts bis Nigehörn, einer Insel, die zu Hamburg gehöre. Ich bin total beeindruckt. „Wie schön muss es sein, hier zu leben.“ bemerke ich und gleichzeitig denke ich daran, wie dünn besiedelt die Gegend hier ist und wie gerne ich in der Großstadt Köln lebe. Ich ergänze noch eine Frage: „Fehlen einem hier nicht die Menschen?“ „Mir fehlt nur ein einziger Mensch“, sagt er, „das ist meine Frau. Sie ist im letzten September gestorben.“ Das bedaure ich von Herzen und Hauke bietet mir ganz spontan an: „Wenn Du einmal alleine übrig bleibst, komm einfach her.“

Gehöft am Weserradweg zwischen Bremerhaven und Cuxhaven

Johannes hat inzwischen bemerkt, dass ich ihm nicht mehr folge und steht schon draußen bei meinem Rad, als ich mit Hauke aus dem Haus trete. Wir verabschieden uns sehr herzlich voneinander und ich setze mit Johannes unsere letzte Etappe fort. Die Begegnung mit Hauke geht mir lange nicht aus dem Kopf.

Die geduckten Dächer von Wremen an der Wurster Nordseeküste

Wieder überlassen wir uns dem meditativen Gleiten mit Rückenwind auf dem glatten asphaltierten Weg am Fuße des Deiches. Lustigerweise durchfahren wir hintereinander zwei Ortschaften namens Arensch und Berensch. Dort kommen wir durch einen interessanten Wald, der zu einem Naturschutzgebiet namens „Eichenkraftwälder“ gehört.

Eichenkraftwälder bei Berensch

Der letzte größere Ort vor Cuxhaven ist Sahlenburg. Hier herrscht schon reger Urlaubsbetrieb. Um an den Strand gehen zu dürfen, muss man einen Eintritt von 3,50 Euro bezahlen. Natürlich möchte ich sehr gerne ein Bad im Wattenmeer nehmen. Die nette Dame in dem Holzbüdchen am Eingang zum Strand verlangt diesen Eintritt nur einmal von uns, nachdem Johannes erklärt hat, dass er auf keinen Fall ins Wasser gehen werde. Sie verspricht sogar, auf unsere Räder aufzupassen, die wir mitsamt der Satteltaschen bei ihr stehen lassen. Tatsächlich nehme ich ein Bad im Wattenmeer. Von Schwimmen kann dabei kaum die Rede sein. Hunderte von Metern muss man hineingehen ins Wasser bevor einem das Wasser einmal über den Knien steht. Trotzdem lege ich mich ganz hinein und versuche ein paar Schwimmzüge. Eine herrliche Abkühlung!

Sahlenburger Strand

Von nun an ist der Weserradweg sehr voll. Radfahrer, Fußgänger, Familien mit Kinderwagen und ein knallrotes Bähnchen namens Dünenbahn-Cuxliner beleben den Küstenweg. Als wir schließlich das Stadteingangsschild von Cuxhaven erreichen und auch schon die ersten Stadthäuser unseren Weg säumen, schalten wir das Navi ein und lassen uns auf dem direkten Weg zu unserem Hotel leiten, nämlich dem Best Western Hotel am Hafen. Von den Einheimischen wird es „das Donners“ genannt wie wir später erfahren. Als uns schließlich der Straßenverkehr mit seinem Lärm auf die Nerven geht, kehren wir doch wieder zum Nordseeküstenradweg zurück. Von oben auf der Düne aus sehen wir, welche schöne Küstenstrecke wir uns entgehen lassen haben. Später erst erfahren wir von unserer Nachbarin Regina, dass wir unbedingt an der Kugelbake hätten vorbeifahren sollen, dem Wahrzeichen von Cuxhaven. Sie ist ein Seezeichen, das das geographische Ende der Elbe markiert. Wir hatten nur gehört, dass heute an der Kugelbake ein Festival stattfindet und hatten gar keine Lust auf lärmende Musik. Aber worum es sich eigentlich handelt bei der Kugelbake, lesen wir erst später nach. Schade.

Cuxhavener Grimmershörnbucht

Wenigstens sehen wir vom Deich der Grimmershörnbucht aus bis hinten zu der Spitze der Landzunge, wo die Kugelbake steht. Unser Hotel befindet sich hier ganz in der Nähe. Von unserem Frühstücksraum im 6. Stock aus schauen wir über den Hafen und die ganze Bucht.

Blick aus dem Frühstücksraum des Best Western Hotels

Wir sind am Endpunkt unserer wundervollen Fahrradreise angekommen und lassen nach einem kleinen Stadtrundgang den Urlaub bei einem schönen Fischgericht im Strandkorb des Fischrestaurants Hus op’n Diek noch einmal Revue passieren. Wir sind uns einig, dass eine Radwanderung die schönste Form des Urlaubs darstellt.

Deichterrasse des Fischrestaurants Hus op’n Diek in Cuxhaven

ENDE DES WESERRADWEGS

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