Ich wache schon sehr früh auf. Ich blinzele in Richtung des leicht hochgeklappten Dachfensters und weiß sofort, dass es sechs Uhr ist. Meine innere Uhr funktioniert präzise auf die Minute genau. Ein Blick auf die Uhr bestätigt mich wie immer. Es überrascht mich nicht. Ich versuche, noch einmal einzuschlafen und mich in meinen letzten Traum zurück zu versetzen. Wieder einmal, wie seit Tagen schon, habe ich von großen Menschenansammlungen geträumt, von Busausflügen, von Aufenthalten in Herbergen, von Kindern, für die ich verantwortlich war und die mir irgendwie in der Masse der Leute abhanden kamen. Heute Nacht habe ich zum ersten Mal die körperliche Nähe der anderen Menschen als bedrohlich empfunden und habe vergeblich versucht, ihnen auszuweichen. Ich muss mir eingestehen, dass mich die Coronakrise mehr beschäftigt, als ich geglaubt hatte. Tagsüber habe ich das Gefühl, dass sie mich nicht beunruhigt. Ich kann nicht wieder einschlafen und stehe auf. Wie jeden Morgen absolviere ich zuerst ein Programm von Rückenübungen. Seit letzte Woche Dienstag mein Fitnessstudio schließen musste, habe ich einige zusätzliche Übungen hinzugefügt. Eine Viertelstunde lang trainiere ich sehr diszipliniert. Danach hänge ich noch ein paar Dehnungsübungen an und beginne schließlich mit frischer Energie und Beweglichkeit meinen Tag.
Wieder ist der Himmel so unglaublich blau. Die Temperatur liegt nur knapp über dem Gefrierpunkt. Ich habe schon letzte Woche Mittwoch nach dem eindringlichen Appell unseres Ministerpräsidenten Armin Laschet, zu Hause zu bleiben, in überschäumendem Bewegungsdrang den Rasen vertikutiert und nachgesät. Seitdem herrscht eine fast ausnahmslose Trockenheit und es gilt jeden Morgen und jeden Abend, die Nachsaat zu wässern. Inzwischen weiß ich, dass es viel zu früh war für das Nachsäen. Zum Keimen braucht der Samen eine Bodentemperatur von mindestens 16°. Trotzdem hoffe ich darauf, dass meine Saat aufgeht, und wässere gewissenhaft. Ich warte allerdings bis nach dem Frühstück und gehe mit dem Schlauch erst nach draußen, als das Thermometer bereits 10° anzeigt. Im Garten begegne ich meinem Nachbarn Franz, dessen Garten nur durch einen künstlichen Bachlauf und einen Gartenteich von unserem Garten getrennt ist. Franz erzählt mir, dass er heute einmal zu Hause arbeitet. Ich freue mich für Nina, seine Frau, die bisher die Doppelbelastung von Homeoffice und Kinderbetreuung ganz alleine stemmen musste. Franz gibt zu, dass das in der Tat nicht so ganz einfach sei. Die beiden haben ein achtjähriges Töchterchen namens Paula, das sehr aufgeweckt und bewegungshungrig ist. Paula hört, dass ich draußen bin und kommt auch in den Garten. Sie erzählt mir, dass sie schon alle Mathematikaufgaben für heute erledigt habe. Nur bei den besonders schweren Knobelaufgaben von „Mathe-Stars-2“ habe die Mama ihr ein bisschen geholfen. Ich erzähle Paula, dass ich heute wieder einen Brief an Anton und Moritz abschicken werde und dass ich den beiden immer auch Rätselaufgaben mitschicke. Paula liebt Anton und Moritz, die normalerweise jeden Freitag einen Oma-Opa-Tag bei uns verbringen, zu dem Paula dann regelmäßig hinzukommt. Das geht wegen der Coronakrise seit letzter Woche nicht mehr.
In den ersten Tagen der dringenden Empfehlung, möglichst zu Hause zu bleiben, hatten Johannes und ich noch den Drang, Spaziergänge oder Fahrradtouren zu unternehmen. Das hat seltsamerweise ganz nachgelassen. Auch die Tage der intensiven Gartenarbeit liegen hinter uns. Inzwischen haben wir uns tatsächlich weitestgehend ins Haus zurückgezogen. Wir telefonieren viel, tauschen Nachrichten aus mit der Familie und mit Freunden, hören Radio-Podcasts. Wir beobachten, dass wir jetzt viele Menschen wieder kontaktieren, mit denen wir uns schon seit längerem nicht mehr getroffen haben. Meine Freundin Iris hat eine WhatsApp-Gruppe eingerichtet, die uns eine Auszeit vom Corona-Virus verschaffen soll. Über 20 Teilnehmer hat sie dazu eingeladen. Ich gehöre auch dazu. Wir sollen uns dort auf die schönen Dinge des Lebens konzentrieren und die Coronakrise einmal ganz ausblenden. In diesem Chat werden seitdem viele Herzchen, Hundevideos, Blumenbilder und Glückssprüche, daneben aber auch sehr berührende Geschichten, Videos und Bilder, wertvolle Links und Gedanken gepostet. Heute erschien dieser wunderbare Text: „Ich erlebe gerade überall ein bisher seltenes Ausmaß an positivem Denken statt der Macht der Angst. Wie sagte A… so schön: Der Ursprung unserer Handlungen ist entweder Angst oder Liebe … ein Hoch auf die Liebe …“ Gleich danach postete jemand passend dieses Bild:

Spätestens jetzt denke ich, dass wir keine Auszeit vom Coronavirus brauchen, ja gar nicht anstreben sollten. Das Virus beschäftigt so sehr unsere Gedanken, dass wir im Gegenzug uns auch mit ihm beschäftigen sollten. Nur in der Auseinandersetzung mit der Krise können wir mit ihr fertig werden. Das Nachdenken über die derzeitigen Einschränkungen unseres sozialen Lebens hat schon so viel Nähe und Zuwendung hervorgebracht, so viel Hilfsbereitschaft und Aufmerksamkeit, so viel Liebe wie es durch eine Corona-Auszeit niemals möglich gewesen wäre.
Heya are using WordPress for your site platform? I’m new to the blog world but I’m trying to get started and set up my own. Do you require any coding knowledge to make your own blog? Any help would be really appreciated!
Ja, ich benutze WordPress. Ich habe mir von einem technisch begabten Schüler (inzwischen Student) helfen lassen bei meiner Website. Wenn sie erst einmal eingerichtet ist, ist es einfach, neue Beiträge hochzuladen und neue Kategorien zu schaffen.