Freitag, den 27.3.2020

Freitags und dienstags ist Markttag in Köln-Brück. Obwohl ich schon letzte Woche Freitag und auch am vergangenen Dienstag beobachtet habe, dass die Leute jetzt gerne sehr früh einkaufen gehen und der Markt früh morgens sehr viel voller ist als im weiteren Verlauf des Vormittags, breche ich unvernüftigerweise schon um 7:00 Uhr mit dem Fahrrad zum Markt auf. Irgendwie rechne ich heimlich damit, dass die anderen Kunden dieselbe Beobachtung gemacht haben wie ich und heute später einkaufen gehen. Meine Nachbarin Regina wird heute mit ihren beiden Jungs für mich den Einkauf im Supermarkt mit erledigen. Ich kaufe im Gegenzug für sie auf dem Markt mit ein. Schon gestern Abend haben wir uns gegenseitig unsere Einkaufsliste per Telefon übermittelt.

Ich fahre nur fünf Minuten bis zum Marktplatz. Von weitem sehe ich schon, dass nur wenige Stände aufgebaut sind. Leider ist auch der Fischstand heute nicht da. Überall stehen schon viele Kunden in großen Abständen an. Auf dem Asphalt sind an einigen Ständen grellgelbe unübersehbare Linien gezogen, die die einzuhaltenden Abstände vorgeben. Ich stelle mein Fahrrad am Rand des Marktplatzes ab und gehe zuerst zu dem Stand mit Hähnchen und Wildfleisch. Ein Herr und eine Dame werden bereits bedient. Sie stehen in einem Abstand von mindestens 2 m ganz links bzw. ganz rechts an der Theke. Hinter der Abstandslinie wartet bereits eine neue Kundin. Ich stelle mich in einer Entfernung hinter sie. Wo ich jetzt stehe, könnte ich auch zur Warteschlange des Kartoffelstandes gehören. Eine Passantin fragt mich, ob ich bei den Hähnchen anstünde. Ich bejahe dies und die Dame stellt sich in großem Abstand hinter mir auf. Der Herr ganz links zahlt gerade. Allerdings setzt er seinen Einkauf danach fort. Die erste Bestellung habe einer älteren Dame aus seiner Nachbarschaft gegolten, erklärt er. Bei der Dame rechts ist es ähnlich. Ich bin offenbar nicht die einzige mit mehreren Einkaufszetteln. Die Dame rechts ist jetzt fertig. Die Kundin vor mir tritt aber erst an die Theke, als die Dame sich entfernt hat. Kurz darauf bin ich an der Reihe.

Mein zweiter Anlaufpunkt ist der Metzgerstand, ein riesiger Wagen mit vier Verkäuferinnen. Hier hat man sich heute etwas Besonderes zur Kontaktvermeidung einfallen lassen. Mit hochkant aufgestellten leeren Transportkisten sind vor der Theke vier Nischen gebildet worden. In einem 2m-Abstand hinter den Kisten ist eine grüne Linie auf den Boden gezeichnet worden. In jeder Nische befindet sich jemand, der gerade bedient wird, und hinter der Linie steht bei den ersten drei Nischen jeweils eine Person. Ich stelle mich auf den leeren Platz hinter der vierten Nische. Die Kundin vor mir wird gerade fertig und verlässt die Theke in einem kleinen Bogen, um mir nicht zu nahe zu kommen. Ich bin ja noch lange nicht an der Reihe und mache der Dame neben mir ein Zeichen, an den Thekenplatz vor mir zu treten. Doch die Verkäuferin schreitet lautstakt ein. Es gebe vier Warteschlangen und jeder müsse in seiner Schlange bleiben. „Wir machen das nicht, um sie zu ärgern, sondern weil es so vorgeschrieben ist.“ Ich bin also tatsächlich schon an der Reihe. Das ging heute viel schneller als sonst. Vor allem freue ich mich, dass ich nicht den üblichen Stress habe, immer aufpassen zu müssen, wer vor mir da war und wer nach mir kam. Bevor die Fleischverkäuferin mich bedient, wäscht sie sich die Hände und streift sich einen neuen Hygienehandschuh über. Darüber hinaus greift sie jedes Fleischstück nur unter Zuhilfenahme einer Plastikfolie. Ich stelle mir vor, dass die momentanen Hygienemaßnahmen zu  einer gigantischen Zunahme an Plastikmüll führen müssen, habe aber keine Idee, wie dieses Problem zu lösen sei. Ich sehe gar keine Kunden mehr, die mit eigenem Behältnis zum Metzger kommen. Hygiene hat offensichtlich momentan die oberste Priorität.

Ich gehe zu meinem Fahrrad und lade die bisherigen Einkäufe schon einmal in den Fahrradkorb. Vom Fleischstand her höre ich lautstarken Protest. Ich drehe mich um und beobachte, wie eine Dame an allen Wartenden vorbei direkt zur Theke geht. „Sie müssen hier hinten warten“, ruft ihr eine Dame von hinter der Linie zu. Da hebt die Eilige einen Zettel hoch und wedelt mit ihm: „Ich habe einen falschen Bon bekommen“, erklärt sie. Während sie das sagt, steht sie unmittelbar neben der Kundin, die gerade bedient wird. Sie spricht ihr direkt ins Gesicht. Alle Wartenden sind empört. Die Verkäuferin lässt sich nicht anstecken von der allgemeinen Aufregung und reicht schnell und umsichtig der Kundin den richtigen Bon über die Theke. Diese entfernt sich umgehend damit, ohne allerdings auf irgendwelche Abstände zu achten.

Ich schaue mich auf dem Marktplatz um und versuche, mit dem Handy ein paar schöne Bilder für meinen Blog zu machen. Die Sonne steht noch so niedrig an dem wieder einmal tiefblauen Himmel, dass es nicht so einfach ist, zu fotografieren. Ich bemühe mich, den Datenschutz zu beachten und keine Gesichter abzulichten. Dabei fällt mir auf, dass Atemmasken die Sache mit dem Datenschutz erheblich erleichtern. Man sieht aber nur sehr vereinzelt Personen mit Maske auf dem Marktplatz.

An dem riesigen Obst- und Gemüsestand gab es durch die besondere Anordnung der Produkte immer schon fünf abgeteilte Einkaufsbuchten. In jeder Bucht können zwei Personen ohne Abstandsproblem zusammen stehen. Weitere Kunden müssen sich hinter die erste bzw. die zweite gelbe Linie stellen, die in einem großen Abstand um den gesamten Stand herum gezogen sind. Auch hier kann ich schon sehr bald in eine der Buchten eintreten, weil ich nämlich die einzige bin, die hinter einer der gelben Linien steht. Da macht es auch nichts, dass ich nicht hinter der Bucht gestanden habe, die gerade leer wird. Das wäre ja ein wenig absurd. Eine junge Verkäuferin, die ich noch nie an diesem Stand gesehen habe, bedient mich sehr kompetent und zügig. Sie muss ständig weite Strecken zurücklegen, um alles herbeizuholen, was ich für Regina und mich brauche. Die Verkäufer und Verkäuferinnen kommen sich bei dem dauernden Hin- und Hergerenne immer wieder viel zu nah. Das lässt sich überhaupt nicht vermeiden. Sie tun mir leid.  

Mein Fahrrad ist inzwischen schon ziemlich schwer beladen. Ich kaufe nur noch ein wenig Käse ein und einen Blumenstrauß. Dann fahre ich zurück nach Hause. Als ich dort ankomme, verlässt Regina gerade mit ihren Söhnen das Haus, um für unsere zwei Haushalte den Supermarkteinkauf zu erledigen. Mit den Hausaufgaben für die Schule scheinen die Jungs nicht wirklich ausgelastet zu sein. Der große geht in die Q1, der Kleine in die 8. Klasse eines Gymnasiums.

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