
Sonntag, den 4.3.2018
Heute werden wir die Karpashalbinsel besuchen, diesen langestreckten schmalen nordöstlichen Zipfel von Zypern, der berühmt ist für seine Unberührtheit und Ursprünglichkeit, seine feinen weißen Sandstrände, seine freilaufenden Esel und seine Meeresschildkröten. Das Apostel-Andreas-Kloster ganz am östlichen Ende der Insel, das wir heute zuerst besichtigen werden, ist aufgrund einer dort aus dem Fels sprudelnden Heilquelle ein berühmter Wallfahrtsort. Es wird auch das „Lourdes von Zypern“ genannt.
Unser blauer Bus startet pünktlich um 8:25 Uhr. Selim begrüßt uns mit „günaydın”, was auf türkisch “guten Morgen” heißt. Es fehlen heute 6 Personen, die einmal eine Pause machen wollen. Meine vier speziellen Freundinnen gehören dazu. Während der Busfahrt erzählt uns Selim wieder viel Wissenswertes über Land und Leute. Vor dem Jahr 1974, in dem Zypern unrechtmäßig von der Türkei besetzt wurde, sprachen alle Zyprioten zwei Sprachen, nämlich Griechisch und Türkisch. Für die ältere Generation gilt das auch heute noch, für die jüngeren Leute nur noch dort, wo griechische und türkische Zyprioten zusammenleben. In den Schulen des Nordens wird kein Griechisch mehr gelehrt und umgekehrt in den Schulen des Südens kein Türkisch. Es herrscht eine große Feindseligkeit zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen, die es während der 300 Jahre währenden osmanischen Zeit vom 16. bis zum 19. Jahrhundert nicht gegeben hatte. Nicht wenig unschuldig an den heutigen Animositäten seien die Engländer, die Zypern im Jahr 1878 übernommen und durch diverse Institutionen eine Trennung von Zyperngriechen und Zyperntürken betrieben haben. Als 1955 aufständische Zyperngriechen den Anschluss Zyperns an Griechenland anstrebten, haben die Engländer Spezialeinheiten aus türkischen Polizisten gebildet, deren Aufgabe es war, die Aufstände zu unterdrücken. Durch das Schüren des Konflikts zwischen Zyperngriechen und Zyperntürken erhoffte man sich eine Stärkung der eigenen Macht.
Draußen gleitet eine fast unberührte Natur an uns vorüber. Die an manchen Stellen nur 2 km breite Halbinsel ist sehr dünn besiedelt. Von Zeit zu Zeit taucht ein Haus auf zwischen den flachen Hügeln der weiten Landschaft. Es fällt auf, dass häufig das obere Geschoss fehlt. Zwar führt eine Außentreppe nach oben, doch endet sie im Nichts. Selim erklärt uns, dass die Menschen hier von der Landwirtschaft leben. Nach der Ernte, wenn wieder etwas Geld in der Kasse ist, wird weitergebaut. Viele Häuser sind unten bewohnt und oben im Rohbauzustand. Die nächste Generation wird später weiterbauen.
Wir unterbrechen die Fahrt für eine Toilettenpause in einem eigens für die Touristikunternehmen errichteten künstlichen Ort. Sechs Busse stehen dort schon auf dem Parkplatz. Außer einer äußerst begrenzten Zahl an Toiletten gibt es diverse Verkaufsstände mit Souvenirs, Kleidungsstücken und anderen Reiseutensilien sowie Imbissbuden, die Kaffee und kleine Speisen verkaufen. Ich setze mich mit meinem Notizbuch an einen der Cafétische und schreibe. Ein Herr aus einer anderen Reisegruppe setzt sich zu mir und fragt interessiert, ob ich über die Reise schriebe. Er selbst führe auch ein Reisetagebuch. Allerdings komme er kaum zum Schreiben bei dem dichten Besichtigungsprogramm. Ich verrate ihm mein Geheimnis. Ich nutze die langen Fahrten im Bus zum Schreiben. Der Herr bedankt sich für die gute Idee und holt sein Büchlein hervor. Wir schreiben beide nebeneinander und lassen uns dabei von der warmen Frühlingssonne wärmen. Johannes hat mir inzwischen einen Kaffee besorgt und stellt ihn vor mich auf den Tisch. Es dauert eine ganze Weile bis sich die langen Toilettenschlangen endlich aufgelöst haben und die Fahrt weitergehen kann. Nach dieser Raststation wird es bis zum Andreaskloster keine öffentlichen Toiletten mehr geben.
Selim hält uns auf der Weiterfahrt einen Vortrag über das Wohnen in Nordzypern, über das Schulsystem und über die Renten. 25 Jahre Arbeit reichen in Nordzypern schon für die Rente. Wer mit 18 Jahren begonnen hat zu arbeiten und in die Rentenkasse einzuzahlen, kann also mit 43 Jahren in Rente gehen. In Zukunft soll das Rentenintrittsalter auf 56 Jahre angehoben werden. Die Rente wird von der Türkei bezahlt. Die Nordzyprioten stressen sich nicht, heißt es. Man sehe das Leben hier sehr locker. Als Tourist dürfe man sich deshalb nicht wundern, wenn im Restaurant das Essen erst nach einer halben Stunde komme. Die berühmte Geschichte “Der kluge Fischer” von Heinrich Böll erzähle von einem solchen typischen Nordzyprioten.

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