Es regnet nicht, als wir das Bahnhofshotel von Weilburg verlassen. Der Himmel zeigt sogar ziemlich viele blaue Stellen. So können wir den spektakulären Blick auf das Schloss Weilburg hoch über dem breiten Wehr der Lahn einmal ohne Regenschleier fotografieren.

Der Radweg führt von Weilburg aus viele Kilometer lang direkt neben der Lahn entlang. Bei Gräveneck stoßen wir auf eine Sperrung des Radweges und werden quer durch einen Campingplatz umgeleitet. An einer Stelle müssen wir uns gegenseitig helfen, die Räder eine steile Böschung hinabzuschieben. Einige Zeit später versperrt ein mitten auf dem Radweg stehender Lastwagen den Weg in voller Breite. Rechts kommen wir aufgrund von dicht stehenden Büschen nicht vorbei und links befindet sich eine mit Elektrozaun abgesperrte Weide, die auch noch einen halben Meter höher liegt als der Weg. Was nun? Ich fahre beherzt direkt auf die Fahrerkabine zu, Auge in Auge mit dem lächelnden LKW-Fahrer. Als ich stoppe und ihn fragend anblicke, steigt er aus und macht sich ohne Zögern an die Lösung unseres Problems. Zuerst versetzt er kurzerhand den Elektrozaun nach hinten, dann ergreift er mein Fahrrad, hebt es hinauf auf die Weide, schiebt es am LKW vorbei und hebt es dahinter wieder auf den Radweg. Johannes und Röbi folgen ihm mit ihren Rädern.

Wir bedanken uns sehr herzlich und setzen unsere Fahrt fort. Wir wundern uns, dass uns fast nie andere Radwanderer begegnen. Vermutlich ist der April noch nicht die ideale Jahreszeit für eine solche Tour. Einmal halte ich an, um Röbi und Johannes in einer malerischen Kurve mit Lahnhintergrund abzulichten. Da halten neben mir zwei Räder, die schon länger hinter uns fahren. Ein Paar etwa unseres Alters steigt ab und bewundert mit mir das attraktive Fotomotiv. Die Frau will anschließend auch ihren Mann in dieser Kurve fotografieren. Die beiden wollen wie wir heute bis Limburg radeln. Im Gegensatz zu uns haben sie bereits ein Hotelzimmer gebucht.

Gegen Mittag stoßen wir bei Willmar auf eine öffentliche Picknickstelle mit Tisch direkt an der Lahn. Dort lassen wir uns mit unserem Proviant nieder. Das Radlerpaar von vorhin fährt hinter uns vorbei und winkt uns zu. Kurz drauf sehen wir sie oben auf der Lahnbrücke in Erscheinung treten. Offensichtlich geht der Lahnradweg ab hier auf der anderen Seite weiter. Ich fotografiere die Brücke mit den beiden Radlern und verkünde meinen Begleitern, dass ich den beiden das Bild zukommen lassen werde, wenn wir uns das nächste Mal treffen. Röbi macht sich über mich lustig. Er glaubt nicht, dass wir das Paar noch einmal wiedersehen werden. Außerdem mokiert er sich grundsätzlich über meine Tendenz, unterwegs Radlerfreundschaften zu schließen.
Als wir unsere Fahrt fortsetzen wollen, beginnt es zu nieseln. Röbi lehnt es entschieden ab, das Regencape anzulegen. Das würde ihn zu sehr an den schrecklichen Regentag gestern erinnern. Mit diesem Statement überzeugt er uns. Auch wir verzichten auf das Cape und setzen lediglich eine Kapuze auf. Nach wenigen Kilometern taucht unvermittelt eine hoch oben über einer steilen Felswand thronende Burg mit mächtigen Türmen auf. Es handelt sich um die frühmittelalterliche Burg Runkel.

In Runkel-Dehrn stoßen wir noch einmal auf ein imposantes historisches Bauwerk, das Schloss Dehrn, das imposant über der Gemeinde herausragt und das Ortsbild prägt. Unübertrefflich allerdings in seiner Großartigkeit ist der Limburger Dom, der schon bald von Ferne mit seinen sieben Türmen hoch oben auf seinem Kalkfelsen in Erscheinung tritt. Angekommen in Limburg lassen wir uns wieder einmal direkt zur Touristeninformation navigieren. Es geht über sonnenspiegelndes regennasses Kopfsteinpflaster mitten durch die atemberaubend schöne Altstadt mit ihren eng stehenden Fachwerkhäusern.

Johannes bleibt bei den Rädern, während Röbi und ich das Touristenbüro betreten, um uns dort eine Unterkunft buchen zu lassen. Die beiden Damen am Schalter lehnen es jedoch ab, irgendeine Empfehlung auszusprechen. Sie drücken uns ein großformatiges Hotelverzeichnis in die Hand und fordern uns auf, erst einmal zu schauen, welche Preiskategorie für uns infrage käme. Wir nehmen an einem Tischchen Platz und stellen gleich fest, dass wir zu jedem Hotel erst noch mittels Handy die Lage ermitteln müssten. Wie lästig. Dann doch gleich per Handy buchen. Bei booking.com finden wir eine Ferienwohnung. Mich interessiert sehr, auch diese Erfahrung einmal zu machen, zu dritt eine Ferienwohnung zu teilen und abends in einem gemeinsamen Wohnzimmer noch den Tag ausklingen lassen zu können. Wir buchen. Noch ahnen wir nicht, wie sehr uns die außergewöhnliche Qualität der Ferienwohnung überzeugen wird.

Wir haben noch etwa zwei Stunden Zeit bis wir die Wohnung beziehen können. Die Zeit nutzen wir für einen Kaffee und eine Besichtigungstour durch Limburg. In der Stadtkirche St. Sebastian gelingt es mir zum ersten und einzigen Mal auf unserer Lahntour, das Dona nobis pacem zu singen. Auch den Limburger Dom besuchen wir natürlich.

Gegen 17 Uhr endlich beziehen wir unsere fantastische Ferienwohnung unweit des Zentrums. Eine vollkommen neue, etwa 100 m² große lichtdurchflutete Penthousewohnung mit bodentiefen Fenstern, die mehrere Austritte auf den umrahmenden Balkon und einen Rundumblick in die Landschaft bietet, erwartet uns mit einem geräumigen schick eingerichteten Wohn-Ess- und Kochraum, drei Schlafzimmern und zwei Bädern. Wir sind total begeistert und genießen unseren Aufenthalt in vollen Zügen.

Zum Essengehen müssen wir leider die Wohnung noch einmal wieder verlassen. Es dauert eine Weile, bis wir herausfinden, wie man die Wohnungstür abschließt. Hineingekommen sind wir mit einem Zahlencode. Wenn man die Tür von außen zuzieht, lässt sie sich ganz einfach mit Klinke wieder öffnen. Johannes findet nach einigem Probieren heraus, dass man innen am Schloss einen inneren Zylinder eindrücken und dann innerhalb von wenigen Sekunden von außen die Tür zuziehen muss. Stolz auf unsere innovativen Fähigkeiten starten wir auf einen kleinen Spaziergang in die Limburger Altstadt, wo wir bei einem Italiener einkehren. Wir sitzen dort an einem runden Tisch mit viel zu steilen Rückenlehnen und brechen schon bald, nachdem wir gegessen haben, auf und kehren in die Penthousewohnung zurück, wo bequeme Sitzgelegenheiten und gekühlte Getränke auf uns warten.
Habe die bisherigen Berichte mit großer Freude gelesen. Du hast das Besondere jeder Tour sehr gut dargestellt. Wir haben unglaublich viele Eindrücke mitgenommen, und der Eindruck des schlechten Wetters geht eigentlich unter all den faszinierenden Erfahrungen völlig unter. Jetzt freue ich mich auf die letzte Etappe.