Von Wetzlar bis Weilburg (Etappe 4)

Wider Erwarten fallen Sonnenstrahlen in das Dachschrägenfenster unseres Hotelzimmers in Wetzlar, als wir gegen 7 Uhr aufwachen. Ob Röbi doch nicht recht behalten wird mit seiner pessimistischen Wettervorhersage für heute? Nach einem üppigen Frühstück mit wieder einmal sehr freundlicher Bedienung packen wir unsere Fahrradtaschen und schleppen sie in den Ballsaal, wo unsere Fahrräder frisch aufgeladen auf uns warten. Inzwischen hat sich das Wetter stark verändert. Aus grau verhangenen Wolken tröpfelt es sacht herab. Vorsorglich legen wir unsere Regencapes an und setzen ein Käppi auf. Das Käppi verhindert, dass Regentropfen ins Gesicht fallen.

Aufbruch von Wetzlar nach Weilburg bei scheußlichem Wetter

Die heutige Strecke beträgt nur knapp 30 km. Angesichts der Wettervorhersage wollen wir heute nicht so weit fahren. Wir lassen uns den Berg hinabrollen bis zur Lahn und radeln auf die andere Uferseite, auf der der Lahnradweg verläuft. Der Regen wird immer heftiger und es ist kalt. Meine Skihandschuhe sind bereits völlig durchweicht und meine Finger fühlen sich taub an vor Kälte. Freude an Landschaftsausblicken kommt heute nicht so recht auf. Als wir eine Landstraße queren und dort ein Bushaltestellenhäuschen erblicken, halten wir kurz an und stellen uns unter. Johannes friert entsetzlich und zieht sich eine zusätzliche Fließjacke an. Wir fahren weiter. Kurze Zeit später werden wir von herabgelassenen Bahnschranken und einer roten Ampel angehalten. Es dauert eine Weile, bis die Regionalbahn an uns vorbeirast. Schlagartig stellt sich bei uns allen dreien die Idee ein, den Rest der heutigen Etappe mit der Bahn zurück zu legen. Schon bessert sich unsere Laune und wir schauen bei Komoot nach, wo sich der nächste Bahnhof befindet.

Verregneter Lahnradweg zwischen Wetzlar und Weilburg

In Solms gibt es einen Bahnhof. Bis dorthin sind es nur noch zwei Kilometer. Wir lassen uns vom google-maps-Navi dorthin navigieren. Das Handy lässt sich unter der durchsichtigen Folie meiner Lenkradtasche unterbringen und ist so vor dem Regen geschützt. Enttäuscht stellen wir fest, dass Solms gar keinen richtigen Bahnhof besitzt. Es gibt nur einen einzigen Bahnsteig. Von dem aus fährt gerade ein Zug in Richtung Wetzlar ab. Auf der anderen Seite der zwei Gleise liegt Schotter. Der Zugang zu dieser anderen Seite ist durch ein Seil abgesperrt. Von einem jungen Mann, der gerade ausgestiegen ist, erfahren wir, dass man warten muss, bis ein Bahnangestellter dieses Seil öffnet, bevor man hinübergehen und auf der anderen Seite einsteigen kann. Diese Tatsache macht uns unsere Situation noch unbehaglicher. Wir hatten auf einen Bahnhofsschalter gehofft, bei dem man auch Tickets für die Fahrräder hätte kaufen können. Am Ticketautomaten gibt es nur Tickets für Personen. Ich versuche mit meiner DB-App, Fahrradtickets herunterzuladen. Leider scheitert die Autorisierung, weil sie nur per Fingerabdruck möglich ist. Mein Zeigefinger ist so eingefroren, dass er nicht mehr zur Identifizierung taugt. Wir beschließen, die Fahrt ohne Fahrradtickets anzutreten. Es dauert eine Viertelstunde bis der Zug in Richtung Weilburg eintrifft. Wider Erwarten hält er an unserem Bahnsteig, so dass wir nicht auf die Schotterseite hinübergehen müssen. Der Waggon mit dem Fahrradsymbol ist ganz vorne. Wir müssen uns beeilen, dorthin zu kommen. Dann ist auch noch der Einstieg nicht ganz einfach, weil eine hohe Stufe zu überwinden ist. Ich frage einen Aussteigenden, ob er mir kurz helfen kann. Der sagt „Nein“ und geht einfach weiter. Ich schaue ihm fassungslos nach. Ein anderer hilft spontan und hebt mein Rad mit mir zusammen in den Waggon.

Blick durchs Zugfenster auf die Lahn und die Stadt Leun

Vom trockenen Abteil aus stellt sich der Blick für das wunderschöne Lahntal wieder ein und wir genießen den Ausblick aus dem Zugfenster. Jetzt erst stellen wir fest, wie nass wir geworden sind. Die Schuhe sind durchweicht, die Hosenbeine nass bis über die Knie. Wir fühlen uns durchgefroren bis auf die Knochen. Hoffentlich finden wir schnell Hotelzimmer, um uns wieder aufzuwärmen. Wir träumen von einer heißen Dusche.

In Weilburg angekommen, begeben wir uns sofort zur Touristeninformation, die sich wieder einmal ganz oben auf dem Berg in der Altstadt befindet. Ein Telefonat mit dem Bahnhofshotel ergibt, dass es dort freie Zimmer für uns gibt und wir diese schon jetzt um13:00 Uhr beziehen können. Die Dame vom Touristenbüro schwärmt von der guten Küche dieses Hotels. Den Mittagstisch gebe es bis 15:00 Uhr. Das hört sich wunderbar an. Wir lassen uns den Berg wieder hinabrollen, checken ein und bringen die Räder in die Garage. Diesmal müssen wir die Akkus ausbauen und mit ins Hotelzimmer nehmen, weil es keine Steckdosen in der Garage gibt. Wir duschen ausgiebig, legen trockene Kleidung an und treffen uns im Bahnhofsrestaurant. Es schmeckt tatsächlich ganz hervorragend. Auf den Verzehr unserer Proviantbrötchen verzichten wir heute angesichts dieser Gelegenheit, ein vorzügliches warmes Mahl zu uns zu nehmen.

Schloss Weilburg

Nach einer ausgedehnten Siesta brechen wir zu einem Erkundungsspaziergang auf. Mit Schirmen bewaffnet queren wir die Lahn über die steinerne Bogenbrücke, von der aus man einen wunderbaren Blick auf das 120 m lange Wehr der Lahn hat, über dem hoch oben das Schloss Weilburg thront. Beim Aufstieg in die Altstadt stoßen wir zuerst auf die imposante Schlossanlage. Wir durchwandern die gesamte Außenanlage und die Schlossgärten, die mit ihren symmetrisch gepflanzten Bäumen wunderbare Fotomotive liefern.

Bäumequadrat im Schlossgarten von Schloss Weilburg

Leider wird der Regen wieder heftiger und wir schauen uns nach einem Café um. Im Bistro Altes aRthaus ist ein attraktiver Fensterplatz für uns frei. Bei einem Cappucchino und mit Blick auf den Markplatz und seine umgebenden historischen Fachwerkhäuser und den Neptunbrunnen genießen wir die urgemütliche und künstlerische Atmosphäre des beliebten Restaurants.

Urgemütlich im Bistro Altes aRthaus in Weilburg am Marktplatz

Später setzen wir unseren Stadtrundgang fort und finden für den Abend ein ganz besonderes Restaurant, die „Alte Rentkammer“. Es befindet sich im ersten Stock des alten Renthauses gegenüber des Schlosses. Der Restaurantchef selbst nimmt uns in Empfang und führt uns an eine lange antik wirkende Tafel in der Mitte des gut besuchten Gastraumes und bietet uns die drei Plätze am Kopfende an. Ein Eisenbahnmodell schmückt den Tisch. Das Bahnmotiv scheint den heutigen Tag zu beherrschen. Zuerst Bahnfahren statt radeln, dann das Bahnhofshotel und nun auch noch ein Bahnmodell auf dem Esstisch. Im Hintergrund erklingen Vivaldis „Vier Jahreszeiten“, was uns sehr gefällt. In diesem ansprechenden Ambiente verbringen wir sehr hochwertig den Abend dieses regnerischen Tages.

Ausklang des Regentages in der Alten Rentkammer in Weilburg

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