Sonntag, den 12. März 2023
Aus den Seitenfenstern unseres Ferienhäuschens schauen wir auf eine kilometerlange gerade Wand hochaufragender Buchen, deren lange kahle dunkelbraune Stämme dicht an dicht stehen und erst weit oben eine besenartige Krone bilden. Diese Kulisse wirkt gar nicht richtig wie ein Wald. Man kann durch die Stämme wie durch Gitterstäbe hindurchschauen und ahnt dahinter nur unbestimmtes dunkles Gehölz. Bisher waren wir noch gar nicht auf die Idee gekommen, man könne dort wandern oder spazieren gehen. Unsere Freunde Lore und Tom, die hier schon lange leben, haben uns für den ersten Urlaubstag aber einen Rundweg empfohlen, der durch diesen Wald führt. Bei meinem Morgenspaziergang in die aufgehende Sonne habe ich auch schon entdeckt, wo es von der Uferstraße abgeht zu dem Rundweg.
Wir ziehen uns schön warm an mit Winteranorak, Mütze, Schal und Handschuhen und starten in die eisige Kälte zu dem kleinen Rundgang von zweieinhalb Kilometern. Wir gehen die Straße hinab zum Meer. Zu unserer Überraschung sehen wir dort zwei Personen auf Stand-up-paddle-Boards auf uns zu paddeln. Sie sind dick eingepackt in normale Winterkleidung. Wir begrüßen sie und sprechen ihnen unsere Bewunderung aus, in dieser eiskalten Jahreszeit aufs Wasser zu gehen. Ach, meinen sie, das sei auch nicht anders als im Sommer. Wir räumen ein, dass sie ja hineinfallen könnten in das eiskalte Wasser. Das sei natürlich nicht auszuschließen, hieß es, aber das würden sie dann schon überleben.
Wir gehen ein Stück am Meer entlang bis wir an die Stelle mit den Wegweisern gelangen. Dort wenden wir uns nach rechts und gehen in den Wald hinein, der aus dieser neuen Perspektive ganz anders auf uns wirkt. Von innen erscheint er wild und verwunschen. Überall liegen kreuz und quer umgestürzte Bäume übereinander. Später erklärt uns unser Freund Tom, dass der Wald zum Naturschutzgebiet gehört und man die abgestorbenen Bäume einfach liegen und von alleine verrotten lässt. Es handele sich vermutlich um Pappeln. Zur Zeit gebe es ein großes Pappelsterben.
Der Waldweg führt zwischen den eng stehenden Bäumen kontinuierlich bergauf. Immer wieder sind an ausgewählten Bäumen geschnitzte Holztafeln mit Erklärungen aufgestellt. Neben Buchen gibt es auch viele Eschen und andere Baumarten. Die Vielzahl der engstehenden kahlen Stämme fasziniert mich.
Nach einer Weile stoßen wir auf eine Gabelung und wenden uns nach rechts. Einen Wegweiser gibt es hier nicht. Der Weg führt jetzt aus dem Wald heraus und vor uns breitet sich ein sanfthügeliges Weideland aus, durch das sich ein Bach schlängelt. Wir lassen uns von unserer Outdoor-active-App zeigen, wo wir sind und wenden uns daraufhin noch einmal nach rechts.
Über eine kleine Brücke queren wir den Bachlauf und folgen dem Asphaltweg bergauf. Oben auf der Kuppe erkennen wir schon, wo wir sind. Wir sehen die Wohnwagen des Campingsplatzes Fördeferien Bockhomwik, dem gegenüber sich unser Ferienhäuschen befindet. Wir sind nicht einmal eine Stunde unterwegs bisher und beschließen, unsere Runde noch ein wenig zu verlängern. Wir durchqueren das Campingsgelände, auf dem sich auch das Restaurant Bock19 befindet, in dem wir unseren ersten Abend verbracht hatten. Ich zeige Johannes die Fenster unseres Hotelzimmers, in dem wir vor fünf Jahren auf der Rückfahrt von unserer Hurtigrutenreise ein paar Tage verbracht hatten. Wir gehen an den verwaisten Stellplätzen vorbei bis hinunter ans Meer und spazieren am Strand entlang bis wir wieder auf die Straße stoßen, auf der unser Rundgang begann.