Ich schlafe wunderbar in unserem Ferienhausbett und erwache schon um halb sieben vollkommen wach und ausgeruht. Ich stehe auf und trete zuerst an die Terassentür. Über der Förde geht gerade die Sonne auf. Es zieht mich magisch zum Meer hin, zu einem frühen Morgenspaziergang am Strand. Schnell kleide ich mich an. Meine allmorgendliche Rückengymnastik lasse ich heute einmal ausfallen. Ich schreibe noch ein Briefchen für Johannes, damit er weiß, wo ich bin und wann ich zurückkomme, dann verlasse ich mit Mütze und Anorak und dicken Winterstiefeln das Haus.
Die Sonne hat sich gerade erst über den Horizont erhoben und wirft ihren hellen Schein durch die hoch aufragenden, noch kahlen Bäume des Wäldchens östlich von unserem Haus.
Bei eisiger Kälte marschiere ich die Straße hinab, vorbei am Häuschen unserer Freunde Lore und Tom, die vermutlich noch schlafen, und hinab zum Strand. Von hier aus erscheint die aufgehende Sonne eindrucksvoll über dem Meer und spiegelt sich in dem ruhigen von zahllosen Enten und Schwänen bevölkerten Wasser. Ich tauche ein in die vielfältigen Tiergeräusche um mich herum. Mövengeschrei, Entengeschnatter, das Klopfen eines Spechts, auch eine Taube mischt mit. Hier stört sie mich seltsamerweise nicht.
Nah am Wasser stapfe ich durch Sand und Geröll immer der Sonne entgegen. Bald erreiche ich den Yachthafen von Bockholmwik, dessen weit ins Meer ragendes Netz schwimmender Pontons winterlich verwaist daliegt. Ich betrete den beschneiten Steg und hoffe, dass die Tür zum Hafen nicht verschlossen ist.
Leider ist die Tür verschlossen und an beiden Seiten rechts und links verhindern herausragende Metallspieße eine Umgehung der Blockade. Aber ich bin mit meiner Position hier weit draußen auf dem Meer auch schon sehr zufrieden. Zurück am Strand setze ich meinen Weg weiter fort. Auf der Straße, die parallel zur Küste verläuft, fährt ein Traktor vorbei, der auf seinem Frontlader einen Heuballen transportiert. Wie früh der Bauer schon am Sonntagmorgen bei der Arbeit ist. Ich fotografiere das Gefährt. Daraufhin verlangsamt es seine Fahrt und bleibt schließlich ganz stehen. Ich erschrecke und fühle mich ertappt. Habe ich nicht gelesen, dass es sich hier um ein Naturschutzgebiet handelt? Vorsichthalber winke ich dem Bauern freundlich zu. Er winkt nicht zurück, setzt aber seine Fahrt fort.
Ich gehe noch lange weiter bis hin zu einer Bank am Ufer. Dort setze ich mich hin und lasse meine Seele über die Wasserfläche schweben bis sie verschmilzt mit all meinen lieben Menschen. Dann trete ich den Rückweg an, diesmal auf der Straße. Auch auf diesem Weg gibt es vieles zu entdecken. durch eine ausgedehnte Grasfläche lang gewachsener gelber Gräser, die halb liegend den Boden wie ein flauschiger Teppich bedecken, plätschert ein Bächlein.
Naturschutzgebiet Bockholmwik
Ich komme an einem Wegweiser vorbei, der zwei Rundwege durch den Wald anzeigt. Ich werde Johannes vorschlagen, eine dieser Wanderungen gleich mit mir zu machen. Hinter mir höre ich ein Geräusch. Der Traktor kommt zurück. Ich trete beiseite, um ihn vorbeifahren zu lassen. Er hält aber neben mir an und der junge Mann am Steuer öffnet die Fahrertür. Ein kleines Hündchen springt heraus und läuft auf mich zu. Der Bauer steigt aus und meint zu mir, er habe sich vorhin von mir ertappt gefühlt, als ich ihn fotografiert hätte. Wer fotografiert schon so einen langweiligen Traktor? Ich erkläre, dass bei all den Nuturaufnahmen doch so ein Gerät aus der menschlichen Welt eine gute Ergänzung sei. Außerdem sei ich voller Hochachtung für die Arbeit des Bauern, der schon so früh am Sonntagmorgen hinausfahre. Da holt der junge Mann aus und schwärmt von seinem Leben als Bauer. „Ich darf hier in dieser herrlichen Natur leben und auch noch arbeiten.“ Ich gestehe ihm, dass auch ich mich ertappt gefühlt hätte, als er eben angehalten hätte. Ich hätte die Sorge gehabt, vielleicht dort am Strand gar nicht gehen zu dürfen. Er lacht und beruhigt mich. Man dürfe hier überall entlang gehen, auch wenn es sich um ein Naturschutzgebiet handele. Wir verabschieden uns und wünschen uns gegenseitig einen schönen Sonntag.
Ich kehre zu unserem Ferienhäuschen zurück. Johannes ist inzwischen aufgestanden und bereitet schon das Frühstück vor. Wir schieben den Esstisch vor die Terassentür mit dem großartigen Ausblick und lassen es uns gutgehen.