Das Bild der androgyn wirkenden jungen Frau mit Weinbergschnecke zieht mich auf den ersten Blick in seinen Bann. Die Schöne in ihrer Zartheit und Nacktheit mit diesem riesigen Weichtier auf der Brust löst einen wonnigen Schauer des Schrecklichen aus. Andererseits sind die beiden in ihrer Stimmigkeit von Form und Farbe schön anzusehen. Das in kunstvolle Locken gelegte bronzeschimmernde glänzende Haar korrespondiert auch in seiner Textur mit der formvollendeten Schneckenhausspirale. Die gesamte Bildkomposition wirkt höchst ästhetisch. Die makellose Haut der jungen Frau in ihrem zarten Hellbraun fügt sich ein in den erdfarbenen Hintergrund. Ihre Gestalt mit dem leicht nach vorn gebeugten Kopf ist so platziert, dass ihre Nasenspitze zentral im Schnittpunkt der Bilddiagonalen liegt. Dem optischen Gewicht des Schneckenhauses ist im Bildstreifen links mit einem weiteren Schneckenhaus, das vor dem Hintergrund zu schweben scheint, ein Gegengewicht gesetzt. Eine orange Linie trennt diesen Bildstreifen ab und überzieht ein Viertel des knabenhaft wirkenden Oberkörpers mit einem schleimigen Schleier, der wiederum in Muster und Farbe eine Balance zu der Schnecke rechts herstellt.
Was hat es auf sich mit der Schnecke und der zwitterhaften Frau? Ich lasse zunächst einmal ab von diesem rätselhaften Motiv und lasse meinen Blick in den Hintergrund schweifen. Bei aller Mühe vermag ich dort keinen Gegenstand zu erkennen. Ich sehe ein wüstes Chaos, ein undifferenziertes Gewimmel von Formen und Farbnuancen des Bräunlichen. Es drängt sich mir die Assoziation des Urchaos vor der Erschaffung der Welt auf, das in vielen Schöpfungsmythen einhergeht mit der Androgynie des Urmenschen. In diesen vorrationalen Erzählungen der Menschheit bringt erst der Schöpfungsakt die Unterscheidungen in männlich und weiblich, in Licht und Dunkel, in Erde und Wasser und alle weiteren Kategorienpaare hervor und schafft so die Ordnung, die wir Kosmos nennen.
Hier scheint Karl H. seine Szenerie anzusiedeln, in der Sphäre des Mythischen, des Unbewussten, des Traumhaften. Die Symbolik der Schnecke fügt sich ein in diese Deutung. Aufgrund ihres spiralförmigen Hauses gilt sie vielen Kulturen als Sinnbild für das Universum und die Schöpfung. Hinzu kommt, dass insbesondere die Weinbergschnecke von zwitterhaftem Wesen ist.
Vor diesem Deutungshintergrund betrachte ich die junge knabenhafte Frau mit der pompösen fraulichen Frisur noch einmal neu. Sie wirkt unschuldig wie Eva im Paradies vor der Verführung durch die Schlange. Und doch lässt sie sich berühren von dem schleimigen Tier, das in der Traumdeutung als Phallussymbol gilt. Ihr Blick allerdings wirkt abweisend. Die Ambivalenz zwischen Verführung und Abwehr spiegelt sich in den beiden Schnecken. Die eine wagt sich weit heraus und streckt ihre Fühler aus, die andere verkriecht sich in ihrem Haus. Sehen wir hier eine junge Frau an der Schwelle ihres Geschlechtslebens, noch verhaftet in einem Stadium unbewusster Indifferenz ihrer geschlechtlichen Identität und jugendlicher Unsicherheit über ihre Rolle in der Annäherung der Geschlechter?
Alice Schopp
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