Freitag, 24.06.2022 Johannes Namenstag. Ich gratuliere ihm gleich beim Aufwachen und kündige ihm für den Abend ein schönes Spargelessen zur Feier seines Namenstages an. Noch ahnen wir nicht, dass hierzulande auch noch geraume Zeit nach dem offiziellen Ende der Spargelsaison Spargelgerichte serviert werden.
Das chaotische Hameln mit seiner mangelhaften Ausschilderung ist auch schwierig in die richtige Richtung zu verlassen. Eine Dame weist uns mit tausend überflüssigen Worten den Weg. Seltsamerweise treffen wir hier außer dem eher distanzierten Menschentyp auch immer wieder Menschen, die unglaublich viel reden. Schon am frühen Morgen bin ich mit den Nerven am Ende.
Für heute sind Regen und Gewitter angekündigt. Momentan sieht der Himmel noch ziemlich blau aus und es ist sehr warm. Wir gelangen nach nochmaligem Nachfragen mit geschwätziger Antwort endlich auf den Weserradweg. Die Landschaft ist inzwischen merklich flacher geworden.
Wir radeln meditativ ohne zu sprechen oder viel nachzudenken, mal nah der Weser, mal ferner, mal durch Felder, mal vorbei an Teichen, mal an ruhigen Straßen entlang. Irgendwann taucht eine der beliebten Liegebänke am Weserufer auf. Darüber dräut es dunkel. Johannes meint, das Dunkel werde gleich zu uns herabkommen.
Tatsächlich dauert es nicht mehr lange, bis das Dunkel sich auf uns herabsenkt. Wir halten unter einem Baum und ziehen unsere Regenjacken an. Schon wenige Minuten später legen wir die Jacken wieder ab. Es hat aufgehört zu nieseln. Wir setzen unsere Fahrt fort. Sie führt uns vorbei an einem einsamen Bauernhaus, bei dem in einem kleinen Selbstbedienungsstand Bierflaschen angeboten werden. Bald begegnet uns wieder eine Weserradwegskulptur, das große Perlboot von Kai Wetzel.
Heute genügen uns diese Eindrücke am Wegesrand. Wir verzichten auf einen Abstecher in die Innenstadt von Hessisch Oldendorf, obwohl wir dort sicherlich schöne alte VWs sehen könnten, die zu dem VW-Veteranentreffen zur Zeit dort versammelt sind. Die beiden Mädels aus Süddeutschland werden uns später davon berichten.
Gegen Mittag erreichen wir das Städtchen Rinteln, dessen Besuch uns unser Radwanderbuch ebenfalls nahelegt. Es soll dort wunderbare Gebäude im Weserrenaissancestil mit den für sie typischen kunstvoll verzierten Giebeln geben. Auch hier verzichten wir auf einen Abstecher in die Innenstadt, was wir selbst als Symptom einer gewissen Erschöpfung deuten. Es ist uns eher danach, bald eine schöne Bank zu finden für unsere Mittagsüberbrückung. Aber wie wir es jetzt schon mehrfach erlebt haben, lässt eine Picknickbank lange auf sich warten. Kurz nach Rinteln passieren wir einen riesigen See namens Doktorsee, an dem ein Camping- und Freizeitpark angesiedelt ist. Um an ihn heranzukommen oder auch nur einen Blick auf ihn zu werfen, muss man ein Verwaltungsgebäude aufsuchen. Geht es da um die Miete eines Stellplatzes oder kann man einfach eine Eintrittskarte kaufen? Wir fühlen uns wenig motiviert, dort groß Recherchen anzustellen. Trotz des nicht ganz überzeugenden Wetters hätte ich allerdings nicht übel Lust, eine Runde in dem See zu schwimmen. Zumindest könnte man sich für das Picknick an den Strand setzen. Wir fahren zunächst einmal weiter in der Hoffnung, später vielleicht einfacher an den See heran zu kommen.
Kurze Zeit später entdecken wir den einladenden Obststand auf dem Feld. Sein indisch aussehender Betreiber kehrt gerade mit einem Eimer voll frisch gepflückter Erdbeeren zu seinem Stand zurück. Wir kaufen ein Schälchen Erdbeeren und ein Schälchen Himbeeren. Er gibt uns den Rat, noch etwa 1 km weiter zu fahren. Da käme dann eine Zufahrt zum See, bei der man ohne bürokratische Hürden unkompliziert an den See heranfahren könne. Darauf freuen wir uns und radeln diesem Eingang entgegen. Und wirklich. Von der Straße zweigt ein Weg nach rechts in Richtung Doktorsee ab. Wir lenken unsere Räder dort hinein und werden sogleich scharf angepfiffen von der Dame in einem Schalterhäuschen. Wir sind gerne bereit, einen Eintrittspreis zu zahlen, und halten an. Sie donnert mit böser Stimme und einem langen Text auf uns ein, dessen Bedeutung uns sich nicht gleich erschließt. Wir fragen, was wir denn zu zahlen hätten. Da schnauzt sie uns an, ob wir denn nicht zugehört hätten. Offensichtlich wollte sie uns zu dem Verwaltungsgebäude am anderen Ende des Sees zurückschicken. Bei ihr kann man keine Eintrittskarte erwerben. Sie sitzt da offensichtlich nur, um den Zugang zum See zu verwehren.
Wir fahren weiter. Schließlich geben wir unsere höheren Ansprüche an einen attraktiven Picknickplatz auf und wählen in der Ortschaft Eisbergen, einem Stadtteil von Porta Westfalica, eine sechseckige um einen Baum herum gebaute Bank aus, die direkt an einer stark befahrenen Straße steht. Als wir dort bereits Platz nehmen, entdecken wir, dass sich ganz in der Nähe ein größerer Supermarkt befindet. Dort besorge ich uns zwei Flaschen Wasser. Wir hatten unsere Wasservorräte gerade zum Waschen der Erdbeeren und der Himbeeren verbraucht. An der Kasse frage ich die Bedienung, ob am Weserradweg vielleicht bald ein attraktiver Picknickplatz zu erwarten sei. Die schüttelt nur den Kopf und teilt mit, sie habe keine Ahnung. Aber die Kundin hinter mir weiß, dass wir bald an einem großen Baggersee vorbeikommen werden. Dort könne man sicher schön sitzen. Oder wir könnten auch in die Stadt Vlotho hineinfahren. Das sind allerdings noch 14 km.
Wir hoffen auf den Baggersee und setzen vorbei an der Windmühle Eisbergen die Fahrt fort durch von Mohnblumen und Kornblumen durchsetzte Kornfelder. Ich muss immer wieder anhalten, um die Blütenpracht zwischen den Kornhalmen zu fotografieren. Wir passieren tatsächlich einen Baggersee, den man allerdings niemals zu Gesicht bekommt. Einmal steige ich vom Rad und kämpfe mich durch Dickicht, um zu erkennen, dass der See unzugänglich mehrere Meter unter mir liegt. Inzwischen ziemlich hungrig geben wir die Hoffnung auf eine schön schattige Bank fast auf. Die Sonne scheint jetzt wieder und es ist ziemlich warm.
Im kleinen Ort Veltheim sehe ich schon von Weitem ein Paar hochwertig unter einem Baum auf einer Bierbank mit Tisch sitzen. Der Tisch ist geschmückt mit einem Blumentopf auf einem Deckchen. Ich halte an und frage sie, ob wir uns vielleicht dazu setzen dürften. Gerne, sagen sie und zeigen dann hinter sich in einen großen Vorgarten hinein. Aber hier überall seien schöne Plätze zum Sitzen. Wir können es gar nicht fassen, wie viele Sitzgruppen dort eingerichtet sind in allerliebstem Ambiente und inmitten eines Blumenmeeres. Auf einem Buffet sind verschiedene Getränke und Gebäck zur Selbstbedienung bereitgestellt. Ein Gartenhäuschen mit Kühlschrank enthält weitere Angebote. Den Preis möge man nach eigenem Ermessen in ein Döschen legen. Ganz herrlich! Wir entrichten einen Obolus in das Döschen und lassen es uns in der Korbsesselgruppe eine ganze Weile gutgehen mit unserem Proviant und einer Tasse Kaffee.
Wir hatten eigentlich vor, heute bis Bad Oeynhausen zu fahren, was von hier noch 19 Kilometer entfernt ist. Wir können uns nicht vorstellen, jetzt noch so weit zu fahren. Also beschließen wir, in Vlotho nach einer Unterkunft zu fragen. Bis dort sind es nur noch 9 km. Die sind schnell gefahren. Um nach Vlotho hineinzukommen, müssen wir die Radstrecke verlassen und über eine Autobrücke die Weser überqueren. Am Ende der Brücke führt der Radweg im Bogen hinab und unter der Brücke hindurch gelangt man unmittelbar ins Zentrum der entzückenden Fachwerkstadt Vlotho. Sie liegt im Tal zwischen dem Ravensburger Hügelland und dem Lipper Bergland und weist eine Menge interessanter Bauwerke auf. Bei der Touristeninformation am Marktplatz kann man uns ein ganz besonderes Domizil vermitteln, nämlich die Altstadtpension in der Mühlenstraße. Wir bewohnen dort das gesamte Dachgeschoss, ein regelrechtes Ferienappartement mit Küchenzeile und Couchecke. Die wie bei den Ackerbürgerhäusern hohe Eingangsdiele des Hauses dient als Frühstücksraum mit ganz besonderem Flair.
Den Abend verbringen wir nach einem ausgiebigen Stadtrundgang hoch oben auf dem 141 Meter hohen Amtshausberg im Burgrestaurant der Burg Vlotho und stoßen dort mit einem atemberaubenden Blick über das Wesertal auf Johannes Namenstag an. Unsere E-Bikes bringen uns mühelos hinauf auf den Berg und noch müheloser später wieder hinab.
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