Von Holzminden nach Hameln (Etappe 4)

Donnerstag, den 23.6.22. Beim Frühstück in der Pension Weseraue in Holzminden treffen wir die beiden Damen von gestern wieder. Sie sind zufällig wieder in der selben Pension abgestiegen wie wir. Heute erfahren wir ein wenig mehr von den beiden. Die Dunkelhaarige kommt aus Augsburg, die Blonde aus Nördlingen, einer kleinen bayrischen Stadt, die wir sicher nicht kennen würden. Sie befinde sich in der Nähe von Aalen. Die beiden erzählen von ihren Gewohnheiten bei einer Radwanderung. Sie buchen nichts vor und schauen immer, wie weit sie kommen. Die Unterkunft suchen sie sich aus ihrem Radtourenbuch heraus. Die App „Bett+Bike“, eine Empfehlung von meiner Freundin Ute, ebenfalls eine Radwanderin, kannten sie noch nicht. Die Anreise von Süddeutschland haben die beiden ausschließlich mit Regionalzügen bewältigt. Manchmal hätten sie den Anschluss verpasst. Dann würden sie sich immer ein Glas Sekt genehmigen. Die beiden sind uns sehr sympathisch.

Weserradweg, Abfahrt in Holzminden

Wir verlassen gleichzeitig die Pension, um auf die Räder zu steigen. Die beiden Mädels haben vor, sehr viel weiter zu kommen heute, als wir. Sie radeln immer durch bis 18 Uhr oder länger, wohingegen wir gerne vor dem Abendprogramm noch ein Erholungsschläfchen machen. Unser heutiges Ziel ist Hameln, wo ich für den Notfall wieder einmal ein kostenlos stornierbares Hotelzimmer vorgebucht habe.

Gleich hinter der Pension Weseraue beginnt ein Feldweg, der direkt ans Weserufer führt. Wir queren die Holzminde, die hier in die Weser mündet, und einen kleinen Seitenarm der Weser und schon befinden wir uns wieder auf dem Weserradweg. Wir verabschieden uns von der Skulpturengruppe „Alltagsmenschen“ und unserem Abendsonnenlogenplatz von gestern Abend und gleiten hinein in die herrliche Landschaft mit Fluss. Der Radweg folgt mit wechselnden Abständen dem Lauf der Weser. Ein kleiner Ort namens Forst fällt uns auf. Johannes hat lange in einem anderen Forst gelebt, in Forst bei Bruchsal. Bei der Bedarfsfähre Grave-Brevörde legen wir eine erste kleine Pause ein. Dort setzen wir uns auf eine schattige Bank und verspeisen einen Apfel aus dem Vorrat, den wir noch von zu Hause im Gepäck haben. In der Pension hatte es überhaupt kein Obst gegeben. Schon glauben vorüberfahrende Radwanderer, wir warteten auf die Fähre und stellen sich zu uns. Eine aufgestellte Tafel klärt darüber auf, dass die Fähre von ehrenamtlichen Fährleuten betrieben wird, die man per Klingelknopf herbeirufen kann. Irgendwie scheint dieser Umstand abzuschrecken. Die Gruppe entschließt sich zur Weiterfahrt. Auch wir begeben uns wieder auf die Strecke.

Weserradweg zwischen Holzminden und Bodenwerder

In Bodenwerder, der Münchhausenstadt, nehmen wir einen größeren Aufenthalt. Ich teste dort bei der Volksbank meine neue PIN und hebe 500 Euro ab. Für das abendliche Essengehen haben wir gerne Bargeld dabei. Wir streifen noch ein wenig durch die Fußgängerzone mit ihren vielen Anspielungen auf Münchhausen, halten es aber wegen der großen Hitze nicht lange aus dort. Wir begeben uns lieber in eins der Lokale am Weserufer und genehmigen uns ein Eis.

Münchhausen auf der Kanonenkugel (Bodenwerder)

In ziemlich unerträglicher Mittagshitze setzen wir den Weg fort, der jetzt für lange Zeit ganz nah am Fluss verläuft. Der Fahrtwind verschafft zum Glück ein wenig Kühlung. Wir passieren eine ganze Reihe von Kunstwerken am Wegesrand wie die Treidelschifferskulptur, eine massive Holzsitzgruppe mitten in der Landschaft oder Riesenstuhl mit Katze. In der Ferne sehen wir das Kernkraftwerk Grohnde, für das Johannes größeres Interesse zeigt. Ihn interessieren Kraftwerke jeder Art, Kläranlagen, Hochspannungsleitungen, Stadtwerke.

Skulptur des Bildhauers Jan Ehlers am Weserradweg bei Hajen

Schon seit geraumer Zeit schauen wir nach einer schattigen Bank für das Mittagspicknick aus. Ab und zu sehen wir eine Bank, die allerdings mitten in der heißen Sonne steht. Da erblicken wir in der Ferne eine Art Wartehäuschen mitten im Nirgendwo. Darin können wir sicherlich schön schattig sitzen.

Untauglicher Versuch, der Hitze zu entfliehen

Fluchtartig verlassen wir das Wartehäuschen wieder und hoffen darauf, dass bald ein schöner Weserpark mit schattenspendenden Bäumen auftauchen wird. Wir müssen nicht lange darauf warten. In Tündern, der letzten Ortschaft vor Hameln, warten vier große Picknicktische unter großen Parkbäumen auf uns, die einen schattiger, die anderen weniger schattig. Eine rothaarige Dame und ihr Rad befinden sich schon dort. Ich spreche sie sogleich an und stoße wie ich es hier im Norden jetzt schon gewohnt bin, auf eine gewisse Zurückhaltung. Zu Johannes meine ich: „Komm wir gehen dort in den Vollschatten.“ Die Rothaarige daraufhin völlig überraschend: „Mein Mann hat sich dahinten in die volle Sonne gesetzt.“ „Der Vollpfosten“, denke ich und sage: „Der muss ja wahnsinnig sein.“

Picknickbank im schönen Vollschatten (Tündern)

Als wir in Hameln ankommen, haben wir bereits 63 km hinter uns gebracht. Und das bei dieser Affenhitze. Wir sind relativ erschöpft und Hameln macht es uns nicht gerade leicht. Zuerst endet der Radweg abrupt und entlässt uns an einer vierspurigen, stark befahrenen Straße ohne Überweg. Wir schaffen es mit Mühe, hinüber zu gelangen und befinden uns schon bald in der Altstadt. Fußgängerzone, absteigen. Nirgendwo ein Hinweis auf die Touristeninformation, wo wir uns gerne ein preiswerteres Zimmer vermitteln lassen möchten. Das reservierte Hotelzimmer kostet 138 Euro pro Nacht. Wir irren trotz Navi eine halbe Stunde lang durch Hameln und suchen vergeblich nach dem üblichen I-Symbol. Schließlich finden wir mithilfe eines Einheimischen, der ausgesprochen nett und hilfsbereit, wenn auch sehr gesprächig ist, die Touristen-Info. Sie befindet sich nicht im Zentrum von Hameln, wie man vermuten sollte, sondern jenseits einer breiten Ringstraße, die die Altstadt im Halbkreis umgibt. Um Punkt 16 Uhr treffen wir dort ein. Schön früh heute. Eine junge Dame verschließt gerade von außen die Eingangstür und fragt uns freundlich, ob sie vielleicht noch etwas für uns tun könne. Ja, sagen wir, wir hätten gerne ein Zimmer. „Es ist kein einziges Zimmer mehr frei in Hameln.“ Das ist ihre Antwort. Wir haken verwundert nach und erfahren, dass in Hessisch Oldendorf ein VW-Veteranentreffen stattfindet und die Teilnehmer auch in Bremen alle Unterkünfte belegen. Wir bedanken uns und sind froh, die Notunterkunft gebucht zu haben.

Abendhimmel in Hameln

In wenigen Minuten sind wir dort und beziehen unser teures, aber auch sehr feines Zimmer im Hotel La Principessa mitten im Zentrum von Hameln. Unsere Wirtin erklärt, warum wir vergeblich nach Hinweisen auf die Touristeninformation gesucht hätten. Die Stadt habe sich für die Sommersaison ein besonderes Konzept der Innenstadtgestaltung ausgedacht. Alle üblichen Richtungshinweise seien ersetzt worden durch neue bunte Schilder, die die Leute nicht gewohnt seien. Niemand finde mehr irgendetwas. Wir legen uns wieder ein Stündchen aufs Ohr, nachdem wir es kaum schaffen, durch stundenlanges Wassertrinken aus dem Hahn unseren riesigen Durst zu löschen. Dann brechen wir zu einem Stadtrundgang auf.

Fachwerkstadt Hameln

Die wunderschöne Fachwerkstadt mit ihren vielen Anspielungen auf den Rattenfänger ist zurzeit ziemlich verhunzt durch das städtische Sommerkonzept einer absolut unästhetischen Dekoration der Straßen mit knallbunten Objekten, die die reich ornamentierten Fassaden verstellen.

Sonderbare Sommerdeko 2022 in Hameln

Als Restaurant für den Abend hatte uns die rothaarige Dame aus Tündern das „Rattenfängerhaus“ empfohlen., ein indisches Restaurant. Es gefällt uns auf Anhieb sehr gut und wir kehren dort nach dem Stadtrundgang gerne ein. Der prachtvolle Weserrenaissancebau gehört zu den bekanntesten Häusern Hamelns, wie wir später nachlesen. Das Essen dort und das kühle Pils nach dem heißen Tag schmecken uns ausgesprochen gut.

Leckeres Essen im Rattenfängerhaus von Hameln

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