Tag 9, Vesterålen – Lofoten (Seeadlerexkursion)

10. Juli. Heute durchqueren wir wieder die traumhaft schöne Inselwelt der Vesterålen und Lofoten. Trotz des späten Schlafengehens gestern Abend sind wir schon früh wach. Im Frühstücksraum setzen wir uns zu dem Berliner Paar. Sie erzählen von ihren Kindern und Enkeln. Von der Tochter haben sie zwei Enkel und vom Sohn ebenfalls zwei. Ich wundere mich, dass die beiden erst jetzt von ihren Kindern und Enkelkindern sprechen. Ich hatte schon angenommen, dass sie keine Kinder hätten. Christiane (wir duzen uns spontan) hält nicht viel davon, Vorträge an Bord zu besuchen. Sie sei hier, um die Seele baumeln zu lassen, ihre Augen an der vorüberziehenden Landschaft zu weiden und ihre Gedanken schweifen zu lassen. Diese Einstellung gefällt mir. Auch wir besuchen nicht die Vorträge an Bord.

Es ist wundervoll warm heute. Wir setzen uns an Deck und genießen einmal ohne unsere Romane einfach nur die Sonne und das Meer. Bis zum Mittagessen bleiben wir dort sitzen. Als Besonderheit des Mittagsbuffets gibt es heute Truthahn mit einer feinen Currysauce. Ich mixe mir wie jeden Mittag einen großen Salatteller aus verschiedenen Blattsalatsorten, Tomaten, Oliven, Kräutern und lege mir diesmal noch zwei Scheiben von dem Truthahnfleisch dazu. Es schmeckt köstlich.

Das Reich des Seeadlers im Norden des Trollfjords

Am Nachmittag findet die Seeadlersafari statt, die wir gestern noch spontan zugebucht haben. Die Safari bricht um 16:25 Uhr auf. Die Teilnehmer werden in einen Raum auf Deck 2 geführt, von dem aus man durch eine große Luke direkt in ein mittelgroßes Boot hinübergehen kann. Nachdem wir alle einen Sitzplatz gefunden haben, legt das Boot ab. Schon ertönt von unserer Safarileiterin ein Lockruf für die Adler. Zuerst glauben wir, dass der Witzbold mit dem Zwirbelbart wieder mit seiner Vogelstimmenpfeife aktiv ist, und wollen uns schon aufregen. Dann aber sehen wir die wettergegerbte stämmige Exkursionsleiterin mit dem langen blonden Haar den Arm ausstrecken und einen großen glänzenden Fisch ins Wasser werfen. Dazu macht sie immer wieder das pfeifende Lockgeräusch. Und schon erscheint der erste Adler. Von hoch oben aus einer Felswand schwebt er herab und fischt sich den toten Fisch aus dem Wasser. So schnell wie er erschienen ist, verschwindet er auch wieder.

Seeadler-Safari im Trollfjord

Und da gleitet noch ein zweiter Adler herab, um sich eine Beute zu fangen. Danach sehen wir nur noch Möven. Auch sie werden von der Vogelfütterin freundlich empfangen. Sie landen auf ihrem handschuhgeschützten Arm und picken sich Stücke aus einem Brot heraus. Das Boot nimmt nun Fahrt auf. Die Felswände gleiten in hoher Geschwindigkeit an uns vorbei. Die Möven bleiben mit uns gleichauf, erstaunlich wie schnell sie fliegen können. Das Boot nimmt Kurs auf Trollfjorden, den engen Fjord, in den auch das Postschiff hineinfahren wird, um dort später quasi auf der Stelle zu wenden. Wir erwarten die MS Finnmarken und fahren dann an ihr vorbei wieder aus dem Fjord hinaus. Vom Schiff her winkt man uns heftig.

Wendemanöver der MS Finnmarken im engen Trollfjord

Unser Boot legt wieder an Tempo zu und rast an den felsigen Steilwänden der Lofoteninsel vorbei. Von Zeit zu Zeit lässt unsere blonde Reiseleiterin wieder ihren Pfiff los. Es zeigt sich aber kein Adler. Nur die Möven sind ständig präsent. Sie vermögen uns nicht vom Hocker zu reißen. Doch mangels interessanterer Fotomotive werden sie von allen Seiten ohne Unterlass fotografiert. Unsere eigenen Bilder sind ein Beleg dafür. Inzwischen haben sich die Wolken gelockert und die Sonnenstrahlen dringen immer häufiger zu uns vor. Wir spüren die wohltuende Wärme auf unseren vom Fahrtwind durchgefrorenen Körpern. Und wir genießen das helle Licht, das wieder die zahllosen hintereinander geschachtelten Berge von Lofoten in so eine überirdisch geheimnisvolle Atmosphäre taucht und das Wasser traumhaft schön glitzern lässt.

Fütterung der Seeadler, Exkursion auf der Hurtigrutenreise

Irgendwann ist es so weit. Das Boot wird langsamer. Die Hand der Fütterin streckt sich über die Reling mit einem fetten Fleischbrocken. Gleich zwei Adler breiten ihre mächtigen Schwingen aus und nähern sich kreisend dem Boot. Der Brocken fliegt ins Wasser, einer der Adler senkt sich herab, streift die Wasseroberfläche und erhebt sich sofort wieder in die Lüfte. Es ist nicht erkennbar, ob er die Beute mit dem Schnabel greift oder mit der Kralle. Analysen unserer Fotos zeigen nur, dass er die Beute in der Kralle hält beim Davonfliegen. Wir sehen ihn noch eine Weile auf die Felswand zufliegen, von der er sich kaum abhebt, so dass wir ihn aus den Augen verlieren. Inzwischen sind mehrere der imposanten Tiere aufgetaucht. Eins schwebt auf eine Felsenspitze zu uns setzt sich dort nieder. Johannes gelingt es, ihn dort zu fotografieren. Ein anderer wird von einer Möve verfolgt, die erst ablässt, als der Adler die Felswand erreicht. Eine ganze Weile dauert die atemberaubende Sensation dieses Getümmels der königlichen Tiere. Als wir schließlich den Ort verlassen, sehen wir sechs Adler auf einen Blick ihre Kreise ziehen. Ein großartiges Schauspiel!

Im Hafen von Svolvaer treffen wir um 18:30 Uhr wieder auf unser Postschiff. Svolvær ist die größte Stadt der Lofoten. Gerne würden wir sofort einsteigen und uns aufwärmen gehen, am liebsten im heißen Whirlpool. Doch müssen wir warten bis die Aussteigenden das Schiff verlassen haben. Und das dauert lange. Es kommt uns vor, als leere sich das gesamte Schiff. Vermutlich nutzen viele den einstündigen Aufenthalt in Svolvaer für einen Landgang aus. Das hat für uns den Vorteil, dass das Restaurant relativ leer ist. Heute gibt es nämlich wieder ein Buffet am Abend. Wir müssen vermutlich keine langen Schlangen fürchten.

Tatsächlich ist es ziemlich leer im Restaurant. Allerdings schmeckt uns heute ausnahmsweise überhaupt kein Gericht. Der Stockfisch schmeckt trocken, das Lammfleisch ist zäh und die Rindfleischbrocken in dunkler Sauce haben einen äußerst seltsamen Geschmack. Einzig die Kürbissuppe ist wunderbar. Unsere Freunde Bernd und Willi kommen erst als wir schon fast wieder gehen wollen. Sie hatten auch den langen Aufenthalt für einen Landgang genutzt. Wir bleiben bei ihnen sitzen und erzählen uns gegenseitig unsere Erlebnisse.

Nächtliches Nordmeer nördlich von Stamsund

Um 22:00 Uhr legen wir für eine halbe Stunde in Stamsund an, dem letzten Anlegehafen der Lofoten. Danach nehmen wir wieder Kurs auf das Festland. Wenn wir Glück haben, können wir heute Nacht noch ein letztes Mal die Mitternachtssonne sehen, falls nämlich die Lofoten bis Mitternacht hinter dem Horizont verschwunden sein werden. Und tatsächlich, die Berge versinken nach und nach im Meer. Um Mitternacht steht die Sonne einige Zentimeter über dem Horizont, klar zu sehen, besser als beim letzten Mal. Wir warten diesmal aber nicht bis 1:00 Uhr. Zwischen Sonne und Horizont befindet sich eine zähe Dunstschicht, die höchstwahrscheinlich die Sonne zum Verschwinden bringt, falls sie noch weiter sinkt. Wir legen uns lieber ins warme Bett nach dem tief durchkühlenden Ausflug heute.

Mitternachtssonne zwischen Stamsund und Bodø am 11. Juli um 00:00 Uhr

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