Nach der Mahlzeit träumen wir noch von einem Eis aus der Überlinger Kulteisdiele „Italienisches Eis-Paradies“ gegenüber dem großen Landungsplatz mit dem von Peter Lenk gestalteten Brunnen. Als wir dort eintreffen, erschrecken wir ob der Länge der Schlange. Aber natürlich sind es die 1,5 m Abstand, die die Schlange so lang erscheinen lasst. Wir stellen uns an.
Natürlich hat sich das Warten gelohnt. Die Eiskugeln schmecken einfach perfekt. Wir schlendern mit unserem Eis die Promenade entlang. Es wimmelt nur so von Menschen, als gäbe es kein Corona. Das ist schön. Man vergisst einmal für einen Moment die Gefahr. Man richtet sich ein in dem Gedanken, dass vielleicht der ganze Spuk schon vorbei ist. Vielleicht war alles gar nicht so schlimm. Am Ende haben die Leugner und Verschwörungsanhänger ja Recht, die glauben, dass die Lock-Down-Maßnahmen völlig überzogen und unnötig gewesen sind. Aber gleich in den Abendnachrichten werden wir eines Besseren belehrt werden. In Indien ist eine zweite Infektionswelle ausgebrochen, die die Krankenhäuser an die Grenze ihrer Kapazitäten bringt. Es hilft nicht, sich in Sicherheit zu wiegen und so zu tun, als gäbe es keine Gefahr. Im Kölner Stadtanzeiger war diese Tendenz der menschlichen Psyche sehr schön auf den Punkt gebracht worden: Indem wir uns einfach wieder umarmen, Hände schütteln, Abstände nicht einhalten gaukeln wir uns eine irrige Sicherheit vor. Wir suggerieren uns, es sei alles wieder in Ordnung.
Nach einem erholsamen Mittagsschläfchen liegt immer noch fast ein halber Tag vor uns. Das Wetter ist nach wie vor perfekt. Ich erforsche vom Balkon aus, ob irgendjemand im See badet. Leider nein. Trotzdem packe ich mir eine kleine Badetasche und begebe mich zu dem hauseigenen Seezugang. Ich treffe dort eine Dame mittleren Alters an, die mich anstrahlt und von dem herrlichen Tag schwärmt. Sie bedauert es sehr, keine Badesachen mitgebracht zu haben. Ich lege die Kleidung ab, die ich über den Sportbadeanzug angezogen habe, und begebe mich auf dem mit Steinfliesen gepflasterten Einstieg immer tiefer in den See hinein. Ich zögere nicht lange und gleite ganz ins Wasser. Es ist eiskalt. Eine Dame, die ich eben auf der Liegewiese unseres Hauses angesprochen hatte, hatte mir die momentane Wassertemperatur genannt: 17° Celsius. Das vergesse ich ganz schnell beim Schwimmen. Schon nach wenigen Sekunden kommt mir die Temperatur irgendwie neutral vor und ich schwimme einfach immer weiter, immer weiter. Die glatte Wasserfläche, die sich schier ins Unendliche ausdehnt, fasziniert mich wie beim ersten Mal. Es ist unglaublich schön, so dahin zu gleiten in dem tragenden und mich ganz umfangenden Element. Ich kehre irgendwann zurück zum Einstieg. Die Dame wartet dort noch auf mich. Wir reden lange miteinander. Eine schöne Begegnung.
Am Abend beginnt es irgendwann, immer stürmischer zu werden. Der Himmel wird schwarz und schwärzer. Die Lagernden am Strand brechen hektisch nach Hause auf. Nur eine Gruppe bleibt unbeirrt liegen an ihrem Badeplatz auf der Wiese. Ich beobachte sie und fühle mich in Sicherheit solange sie noch dort sind. Dann aber beginnen die ersten schweren Tropfen zu fallen. Meine Freunde ziehen sich vom Strand zurück. Jetzt holen auch wir die Polster von den Gartenstühlen ins Haus und richten uns auf einen Abend im Innenraum ein. Schon bald beginnt es draußen zu blitzen und zu donnern.