In der Reisebeschreibung des ADAC heißt es für heute:
10. Tag, Fr 14.6.2019
Cusco – Heiliges Tal der Inka
Vorbei an märchenhaften Berghängen und durch dunstverhangene Täler erreichen Sie heute das heilige Tal der Inkas. Sie besuchen die Stätte Moray mit ihren kreisförmigen Terrassen. Laut Archäologen deuten die kreisförmigen Terrassen darauf hin, dass sich hier einst ein Zentrum für Agrarforschung befunden haben muss, weil jede Ebene andere klimatische Bedingungen bot und so den experimentellen Anbau verschiedener Pflanzen ermöglichte. Außerdem sehen Sie die Salzterrassen von Mara und Ollantaytambo, einen riesigen Komplex aus der Inka-Zeit, der sich aus Tempeln und zahlreichen anderen Gebäuden zusammensetzt. Gegen Nachmittag Rückfahrt zum Hotel
Übernachtung im 3* San Francisco Plaza Boutique Hotel (Landeskat.) o.ä. in Cusco
Um 8:55 Uhr treffen wir in der hohen Hotelhalle, die zugleich Frühstücksraum und Restaurant ist, zusammen und werden von Elisabeth abgeholt. Elisabeth teilt uns mit, dass sie bedauerlicherweise ihren Sonnenhut zu Hause liegen lassen hat. Sie fragt, ob ihr jemand einen Hut leihen könne. Ich verweise sie sofort an Anne, unsere Königin der Kopfbedeckungen. Anne, die auch den Namen Königin des Hergebens erhalten könnte, holt sogleich ihren wunderschönen zinoberroten Basthut herbei und überlässt ihn unserer Reiseleiterin großzügig für den Tag. Elisabeth begleitet uns nun zu zwei kleinen Bussen, mit denen wir zum Busbahnhof fahren, wo ein großer Bus auf uns wartet. Er startet pünktlich um 9:30 Uhr ins Heilige Tal der Inkas.
Nach kurzer Zeit schon lassen wir die Innenstadt von Cusco hinter uns und fahren auf einer stark befahrenen Ausfallstraße durch einen hochgelegenen Randbezirk der Stadt. Bis Moray, unserem ersten Besichtigungsziel, sind es 70 km. Die Häuser hier oben im steilen Hang sind aus luftgetrockneten Lehmziegeln gebaut. Es führen keine Straßen zu diesen Häusern und auch keine Wasserleitungen. Die Bewohner müssen zu Fuß herunter kommen und bei Tankwagen ihr Wasser kaufen. Mit den schweren Kannen steigen sie dann wieder hinauf. Auch die Einkäufe schleppen sie zu Fuß den Berg hinauf. Es werden immer mehr Häuser hier oben in den Hanglagen gebaut. Überall sieht man Neubauten entstehen. Das Wohnen hier oben ist nicht leicht. Besonders während der Regenzeit gibt es große Probleme, weil der Hang aufweicht und Abrutschgefahr besteht. 2010 gab es eine sehr harte Zeit. Viele Häuser sind den Hang hinabgerutscht. Es gab 20.000 Obdachlose. Hinzu kam, dass die Touristen wegen der Unwetter ausblieben. Alle 7 Jahre wiederholt sich eine solche Katastrophe.
Wir fahren durch Tikatika, einem weit oben gelegenen Stadtteil von Cusco, in dem es keine Touristen gibt. Es spielt sich ein unglaublich lebendiges Stadtleben hier oben ab. Wir sehen viele Geschäfte, viele Plätze, kleine Stände unter Sonnenschirmen am Straßenrand. Eine Frau bietet Säfte in einem Kanister an und Frühstück für die Passanten.
Plötzlich passieren wir eine Stelle, wo ein Unfall passiert sein muss. Polizei ist da und eine Frau liegt blutüberströmt, wahrscheinlich tot, am Boden. Elisabeth berichtet uns, dass so etwas ganz häufig passiert. Es gibt zwar Fußgängerbrücken für die Menschen, aber sie nutzen sie nicht, weil sie die Stufen nicht steigen möchten. Und wenn ein Autofahrer einen Fußgänger überfahren hat, entfernt er sich so schnell er kann. Man wird mit Gefängnis bestraft, wenn man jemanden überfahren hat, und zahlt hohe Strafen, die sich an dem Beruf orientieren, den man hat. Ein Rechtsanwalt z.B. müsse über 100.000 Soles Strafe zahlen, wenn er jemanden überfährt. Aus diesem Grunde flüchten die Fahrer in den meisten Fällen oder sie bestechen den Richter und erledigen die Angelegenheit unter der Hand. Die Korruption ist in Peru sehr verbreitet.
Wir fahren durch ein kleines Dorf mit einem Dorfplatz im Zentrum, der gesäumt ist von einem wunderschönen Rathaus, einer Polizeistation und einer Kirche. Das sieht man hier in jedem Dorf genauso. Im Hintergrund sehen wir die Gebirgskette der Kordilleren. Dahinter beginnt schon der Regenwald. Morgen, wenn wir zum Machu Picchu fahren, werden wir auf die andere Seite der Kordilleren kommen.
Elisabeth verkündet, dass wir unsere Pläne ändern werden und zuerst zu den Salzterrassen von Maras fahren. Noch sei der Andrang dort nicht so groß und die Schlangen der Touristenbusse nicht so lang. Elisabeth berichtet, dass es in Maras das zweitbeste Salz der Erde gebe, gleich hinter dem Himalaya-Salz. Es enthalte viele Mineralien wie Calcium, Magnesium, Zink und Eisen. Nach einer tektonischen Verschiebung habe sich Meereswasser hier oben gesammelt, das im Laufe der Zeit verdunstet sei und einen salzhaltigen Boden hinterlassen habe. In der Regenzeit sammele sich das Regenwasser in Lagunen, aus denen in der Trockenzeit das Wasser abfließe. Das durch den salzigen Boden mit Salz angereicherte Wasser habe sich unterirdisch einen Weg gesucht und komme zufällig an einer einzigen Stelle aus dem Fels. Aus dieser einen Salzwasserquelle, die durch ein ausgeklügeltes System filigran verzweigter Kanäle in die Becken geleitet wird, speisen sich die Salzterrassen.
Unser großer Bus schwenkt in einer engen Kurve nach links und plötzlich sehen wir auf der rechten Seite tief unter uns im steilen Hang gegenüber Tausende von Salzbecken, die in allen Farbschattierungen von weiß über grau bis braun die Sonnenstrahlen reflektieren. Hier in der Landschaft wirkt der Anblick völlig anders als auf den Abbildungen, die wir schon gesehen haben. Die Terrassen bilden nämlich keinen flachen Flickenteppich, sondern sie sind stufenförmig in den Steilhang hinein gebaut. Die Dreidimensionalität des gigantischen strahlenden Riesenpuzzles erschließt sich erst, wenn man leibhaftig dort ist. Unser Bus fährt eine kleine Haltebucht an, damit wir aussteigen und die Anlage von oben fotografieren können. Die Großartigkeit der gestuften Terrassierung mit ihren spiegelnden Wasserflächen verschlägt uns geradezu den Atem.
Von hier aus sehen wir aber auch, welche engen Serpentinen im Steilhang uns mit unserem großen Bus noch bevorstehen. Ich mag gar nicht daran denken, weiter hinunter zu fahren. Und tatsächlich erwarten uns noch einige scheußliche Situationen, bei denen wir an den Rand des Abgrundes zurücksetzen müssen, um entgegenkommende Fahrzeuge vorbei zu lassen. Unten angekommen finden wir noch ohne Mühe einen Parkplatz für unseren Bus. Trotzdem sind schon sehr viele Touristen in den Salinen unterwegs. Man geht zunächst wieder an einer Reihe von Verkaufsständen vorbei, an denen man das kostbare Salz, das auch das „weiße Gold der Anden“ genannt wird, kaufen kann. Am kostbarsten ist das „Flor de Sal“, die Erstabschöpfung der obersten Schicht einer gerade erntereif gewordenen Salzpfanne. Wir versorgen uns mit mehreren kg des „weißen Goldes“ und freuen uns, damit wunderbare Mitbringsel für unsere Lieben zu Hause erworben zu haben.
Elisabeth führt uns weiter zu der Salzquelle, die die gesamte Anlage speist. Sie erklärt uns, dass die ersten Terrassen schon vor den Inkas angelegt worden seien und dass die Inkas die Anlage weiter ausgebaut hätten. Es dauere einige Wochen bis das Wasser in den etwa 30 cm hohen Pfannen verdunstet sei und das erste feine Sedimentsalz, das Flor de Sal, mit der Hand abgeschöpft werden könne. Das Salz werde gleich vor Ort bearbeitet und mit Jod versetzt. Danach müsse man noch einmal eine Woche warten bis die zweite Schicht gewonnen werden könne, das „sal rosada“. Nach einer weiteren Woche werde dann die letzte Schicht geerntet, die mit Erde vermischt sei und vor allem zu medizinischen Zwecken genutzt werde.
Wir werden aufgefordert, einmal den Finger in das Quellwasser zu stecken und zu probieren, was wir auch gerne tun. Das Wasser schmeckt stark salzig. Der Salzgehalt liegt bei 14 % bis 15 %, was viel mehr ist als beim Meerwasser, das nur etwa 3 % Salz enthält. Nur das Tote Meer hat einen höheren Salzgehalt.
Wir wandeln nun einzeln zwischen den schneeweiß umrandeten Salzbecken herum und schauen uns die verschiedenen Phasen des Salzgewinnungsprozesses an. In vielen Becken wird gerade gearbeitet, eine harte körperliche Arbeit in der stechenden, vielfach durch die Wasserflächen gespiegelten Sonne. Wir, die wir die Höhenluft nicht gewohnt sind, sind schon nach kurzer Zeit so erschöpft, dass wir uns wieder unter die schattenspendenden Bäume bei den Verkaufsständen retten. Elisabeth erwartet uns dort schon mit ihrem geliehenen roten Hut auf dem Kopf, der ihr wunderschön steht. Einige von uns besuchen noch schnell die Toilette und dann klettern wir wieder in unseren großen Bus. Die Verkehrssituation hat sich inzwischen enorm dramatisiert. Nur mit Mühe gelingt es unserem Busfahrer bei dem riesigen Andrang neu angekommener Busse, den Parkplatz zu verlassen. Die Schlange der auf einen Parkplatz wartenden Busse reicht weit bis in die Serpentinen hinauf. Schließlich passieren wir den letzten dieser Busse und mit rasanter Geschwindigkeit geht es wieder hinauf. Bei jeder Kurve hupt unser Fahrer vorsichtshalber, falls ein anderes Fahrzeug entgegenkommen sollte. Als wir die Stelle passieren, an der wir eben den Fotostopp gemacht hatten, warten dort bereits 10 Busse darauf, diese Parkbucht anfahren zu können. Wie gut, dass wir die Salinen vorgezogen haben in unserem Tagesprogramm.
Die nächste Besichtigungsstätte, die wir ansteuern, ist die Inka-Anlage Moray. Wir schauen von oben wie in ein Amphitheater hinein. In konzentrischen Kreisen sind hier Terrassen angelegt, die trichterförmig in Stufen nach unten gehen. Die oberen Stufen brechen aus der Kreisform aus und bilden eher eine ovale Form. Es wird vermutet, dass die Anlage den Inkas als Agrarversuchslabor diente. Die verschiedenen Stufen haben ganz unterschiedliche Mikroklimata, so dass sie sich für Testreihen mit unterschiedlichen Pflanzenarten eignen. Es wird auch angenommen, dass hier eine Kräuterzucht für die medizinische Versorgung der Bevölkerung betrieben wurde. Außer dieser ersten Anlage, die 1930 entdeckt wurde, gibt es weiter hinten noch zwei weitere Anlagen. Der kalkhaltige Boden hier ist eigentlich nicht sehr fruchtbar. Man hat aber fruchtbare Erde hierher gebracht. Der Kalk im Untergrund strahlt Wärme aus und sorgt so für günstige Temperaturen. Es gibt auf den verschiedenen Stufen etwa 20 unterschiedliche Temperaturen. Vermutlich ist die Anlage nicht nur ein Versuchslabor gewesen, sondern der Kräutergarten und das Gewächshaus des gesamten Inkareiches.
Es ist 13:30 Uhr als wir weiterfahren. Um 13:00 Uhr ist die Schule aus. Wir sehen viele Kinder mit ihren Schultaschen durch die Hitze gehen. Sie haben einen weiten Schulweg. Die meisten Kinder gehen ein bis zwei Stunden mit ihren Schuhen aus Gummireifen durch die Mittagshitze bergauf zu ihren Familien nach Hause. Als Kleidung ist eine Schuluniform vorgeschrieben, die mustergültig sauber sein muss. Mit fünf Jahren muss jedes Kind in den Kindergarten gehen. Danach wird eine Prüfung zur Aufnahme in die Grundschule abgelegt. Die Grundschule dauert 6 Jahre. Daran schließen sich sieben Jahre Sekundarschule an. Das müssen alle Kinder machen. Wer den Schulabschluss nicht hat, kann keinen Führerschein und keine Ausbildung machen. Das alles erklärt uns Elisabeth während der Busfahrt.
Nach einer Stunde erreichen wir Ollantaytambo, ein riesiges etwa 600 ha großes Areal, das eine ganze Inkastadt mit Wohnhäusern, Acker- und Viehzuchtflächen, Lebensmittelspeicher, einen astronomischen und einen Verwaltungsbereich sowie einen festungsähnlichen Tempel oben auf einer Bergkuppe umfasst. Der ganze Steilhang, auf dessen Spitze der aus gigantischen Steinblöcken errichtete Sonnentempel gebaut ist, ist mit breiten Terrassen gestuft. Eine lange steile Steintreppe führt mit 320 Stufen zum Sonnentempel hinauf. Eigentlich haben die Inkas keine Festungsanlagen gebaut. Vor der spanischen Invasion gab es keine äußeren Feinde der Inkas. Es wird vermutet, dass erst als die Spanier kamen, die heilige Stätte Ollantaytambo, die eine strategisch günstige Lage hatte, zur Festung ausgebaut wurde. Von hier aus lässt sich das heilige Tal sehr weit überblicken.
Elisabeth verrät uns, dass der Aufstieg bei der dünnen Höhenluft nicht unanstrengend sei. Wer das hier heute schaffen würde, bis ganz oben aufzusteigen, der könne morgen den oberen Weg, der von oben zur Inkastadt Machu Picchu hinabführt mit Leichtigkeit gehen. Daraufhin melden sich einige aus unserer Gruppe ab und betrachten die Tempelanlage lieber nur von unten. Johannes und ich steigen mit Elisabeth und dem Großteil der Gruppe nach oben auf. Unterwegs betreten wir immer wieder einmal eine der Terrassen, um ein wenig auszuruhen und wieder zu Atem zu kommen.
Als wir schließlich oben ankommen, sind wir glücklich, den Aufstieg auf uns genommen zu haben. Der Blick von hier aus auf das Inkadorf und die umgebende Berglandschaft ist einfach großartig. Auch können wir jetzt erst ermessen, wie riesig die Steinblöcke sind, aus denen die Tempelmauer errichtet ist und wie perfekt sie geglättet und ineinandergefügt sind. Es ist uns unvorstellbar, wie diese riesigen Steine hier hinaufgeschafft werden konnten. Doch bekommt man genau an dieser Stelle eine Ahnung davon, wie das vielleicht bewerkstelligt worden ist, denn neben der Mauer erkennt man eine nach hinten hinuntergehende breite Rampe. Über die sind die Blöcke möglicherweise auf Baumstämmen rollend hochgezogen werden.
Gegenüber von dem Berg, auf dem wir gerade stehen, ist in der Klippe der steilen Felswand ein riesiges männliches Gesicht mit langem Bart zu erkennen, ein Zusammenspiel von menschlicher Bildhauerkunst und Vorlage der Natur. Auf seinem Haupt befindet sich eine steinerne Krone. Man verehrte die Figur als Botschafter des Schöpfergottes Wiracocha. Der lange Bart flößte den Inkas, die keinen Bartwuchs hatten, großen Respekt ein.
Wir steigen wieder in unseren großen Bus ein und treten die lange Rückfahrt nach Cusco an. Es beginnt schon zu dämmern und in der Spalte zwischen zwei hohen Bergen erscheint plötzlich der fast volle Mond, ein erhebender Anblick zum Abschluss, der uns das Gefühl gibt, dem Volk der Inkas ganz nahe zu sein.