Colca Canyon – Puno

In der Reisebeschreibung für heute heißt es:

6. Tag, Mo 10.6.19: Colca Canyon – Puno

Gestärkt nach dem Frühstück brechen Sie auf Richtung Colca Canyon zum Aussichtspunkt Cruz del Condor, dem Kondorkreuz. Das Tal des Canyons zählt zu einer der tiefsten Schluchten der Welt und stellt somit sogar den Grand Canyon in den Schatten. Mit etwas Glück beobachten Sie die majestetischen Kondore in ihrem Gleitflug über den Tiefen des Canyons. Auf dem Rückweg besuchen Sie die farbenfrohen Gemeinden Pinchollo und Maca. Nach einem Mittagessen in Chivay fahren Sie weiter zu Ihrem Hotel in Puno.

Übernachtung im 3-Sterne-Hotel Xima Puno in Puno


Wieder einmal müssen wir zu nachtschlafender Zeit aufstehen. Um 6:30 Uhr schon fährt der Bus in Richtung Colca-Canyon ab. Der Himmel ist noch nachtschwarz. Wir sehen den großen Wagen in einer Klarheit wie noch nie zuvor.

Nach dem Frühstück brechen wir direkt ins Colcatal auf. Margot erklärt uns, dass hier die Bauernfamilien ihre Parzellen nicht unmittelbar am Haus haben, sondern weit weg in den Hügeln. Es werden vor allem Kartoffeln, Mais, Gerste und dicke Bohnen angebaut. Die Familien laufen zu Fuß zu ihren Feldern. Es gibt weder Fahrräder noch Pferde oder Esel. Die Menschen leben hier heute glücklicher als früher, weil es jetzt asphaltierte Straßen gibt und die frischen Produkte in der Stadt verkauft werden können. Früher hat man die Produkte getrocknet und dann in die Stadt gebracht. Trotzdem möchten die jungen Leute nicht mehr gerne hier leben. Sie haben eine andere Vision. Sie möchten in die Großstädte gehen und dort arbeiten oder studieren.

Wir fahren durch den Ort Maca bei dem wir auf dem Rückweg aus dem Colcatal anhalten werden. Wir beobachten eine alte Frau mit einem riesigen Bündel getrockneten Hafers auf dem Rücken die Straße entlang gehen. Die Frauen leisten hier die Hauptarbeit, erklärt uns Margot. Sie arbeiten auf dem Feld und verkaufen die Produkte auf dem Markt in der Stadt. Die Männer seien Machos.

Inka-Terrassierungen am Colca Canyon

Unsere Straße führt serpentinenartig an steilen Abgründen entlang, die zwar einen grandiosen Ausblick in die trockene bergige Landschaft mit ihren Eukalyptusbäumen bietet, aber mich eher dazu bringt, auf die andere Seite zu schauen, wo nur die Felswand ist. Tief unten sehen wir schon den Colcafluss fließen. Er führt momentan nicht viel Wasser. Im Sommer ist er ein großer reißender Strom. Die Hänge links und rechts des Flusses sind stufenförmig angelegt. Diese Terrassierung stammt noch aus der Inkazeit und wird von den Bauern heute genutzt. Man bewirtschaftet immer nur die Hälfte der Parzellen, damit der Boden sich erholen kann. Im nächsten Jahr wechselt man dann zur anderen Hälfte. Ich frage Margot, ob die heutigen Bauern auch selbst Terrassierungen im Hang anlegen oder ob sie nur die alten Inkaterrassen nutzen. Ja, meint sie, es würden auch neue Terrassen angelegt. Die aber hielten nicht sehr lange, nur etwa zwei Jahre.

Colca Canyon Peru

Wir machen einen Fotostopp an einer Stelle, von der aus man einen sehr guten Blick auf den Fluss hat. Uns fallen kleine Steinhügelchen auf, die auf dem Parkgelände des Aussichtspunktes errichtet worden sind. Margot erklärt uns, dass die Familien hier Opfergaben für PatchaMama hinlegen. Die Menschen sind eng mit Mutter Erde verbunden und danken ihr regelmäßig für ihre Geschenke. Die Opfergaben sind Erzeugnisse ihrer bäuerlichen Arbeit. Sie werden anschließend mit Steinen zugedeckt, damit niemand achtlos darüberläuft.

Opferstelle für PatchaMama im Colca Canyon

Auch wir sollen einmal mit PatchaMama in Kontakt kommen. Margot will uns später zu einer kleinen Wanderung entlang des Colcacanyons mitnehmen. Die Berge ringsherum sind überwältigend. Alles ist grün, viele Kakteen auch Cantutas wachsen überall. Die Cantuta mit ihren trompetenförmigen roten Blüten ist die Nationalpflanze von Peru. Der Himmel ist wolkenlos. Es ist aber eiskalt. 5°. Wir sehen auch schneebedeckte Gipfel.

Alice und Johannes im Colca Canyon (Juni 2019)

Wir steigen wieder in den Bus. Bald taucht Pinchollo auf, ein kleines Dorf, das aus lauter winzig kleinen Häusern besteht. Ein bisschen moderner seien die Schulen, erklärt Margot. Viel Blech wird bei den Gebäuden verarbeitet. Im Winter ist es hier sehr kalt. Die Menschen haben keine Heizung. Aber bei der Arbeit haben sie immer ein kleines Radio bei sich. Sie hören Musik bei der Arbeit oder Informationssendungen. Wir sehen Esel und Kühe auf den Weiden.

Unsere Reiseleiterin Margot und eine Einheimische mit Babyalpaka

Der Vulkan Hualca Hualca ist jetzt auf der linken Seite sichtbar. Er ist 6025 m hoch und bereits erloschen. Am Straßenrand werden wir durch große im Fels angebrachte Schriftzüge willkommen geheißen im Tal der Kondore.

Wir halten jetzt an für den kleinen Spaziergang mit Blick in die tiefe Colcaschlucht. Margot erklärt vieles über den Kondor, der in den Tiefen des bis zu 1000 m tiefen Tales lebt, nicht etwa hoch oben, wie man annehmen sollte. Nur dort unten findet er die nötige Thermik. Der männliche Vogel erlebt im Alter von 8 Jahren eine totale Transformation seines Äußeren. Er verliert die Federn am Kopf und bekommt eine weiße Halskrause. Die Brustfedern sind schwarz und weiß. Der kleine Kondor ist ganz braun. Auch die Weibchen verwandeln sich mit 8 Jahren. Sie bekommen nur diese Halskrause. Die Männchen sind 14 kg schwer, die Weibchen 12 kg. Sie schrauben sich hoch in der günstigen Thermik der Schlucht morgens zwischen 8 Uhr und 10 Uhr. Sie flattern nicht. Sie gleiten. Die Spannweite beträgt 3 m. Die Kondore werden 80 Jahre alt. Sie sterben nicht im Nest. Sie schrauben sich ganz hoch in den Himmel und dort legen sie die Schwingen an und stürzen sich hinab in den Canyon. Wir wandern einen schmalen gewundenen Weg entlang des Canyons. Die begrünten Berge ringsherum sind unfassbar schön. Überall in der Landschaft wachsen verschiedene Kakteensorten, z.B. der Feigenkaktus. Ich mache eine Aufnahme nach der anderen, um für meine Schwiegertochter, die Kakteen sehr liebt, heute Abend eine Kaktusgalerie ins Netz zu stellen. Kondore sind leider zu unserer Enttäuschung noch nicht aufgetaucht. Fast haben wir den Bus wieder erreicht, erblicke ich in der Ferne drei große Vögel am Himmel. Das sind sie.

Die ersten Kondore im Colca Canyon

Der Bus bringt uns jetzt zum Kreuz des Kondors, dem „cruz del condor“. Wir steigen bei einer riesigen Aussichtsplattform mit Blick in den Canyon aus. 3400 m beträgt der Höhenunterschied zwischen dem höchsten und dem tiefsten Punkt des Canyons. Der Canyon ist großartiger als der Grand Canyon in den USA. Und tatsächlich sehen wir hier einen Kondor nach dem anderen aufsteigen und seine Runden drehen. Es heißt, sie kommen jeden Morgen um halb acht Uhr. Ein Riesenschauspiel. Die majestätischen Tiere gleiten von unten aus den Tiefen des Colca-Tals herauf, kreisen einige Runden und kehren dann zu ihrem Nest zurück, das direkt unterhalb unserer Aussichtsplattform sein muss. Natürlich versuchen wir, die herrlichen Vögel mit der Kamera einzufangen. Ich frage mich, ob man sich dieser großartigen Begegnung nicht einfach einmal ohne zwischengeschaltete Linse hingeben sollte. Einmal nicht festhalten wollen, sondern sich beschenken lassen. Ich denke aber an meinen Blog und fände es schön, meinen Bericht mit dem Bild von einem Kondor bereichern zu können.

Der Flug des Kondors am Cruz del Cóndor in Peru

Auf der Weiterfahrt erklärt Margot uns wieder einiges über Land und Leute. Früher gab es hier Minen für Gold, Silber und Kupfer. Das hat dazu geführt, dass die Lagunen verseucht wurden, die Fische starben. Die Kondore verschwanden wegen der Sprengungen. Jetzt ist das alles eingestellt worden zum Schutz der Natur.

Am Kreuz des Kondors im Colca Canyon Peru (3200 m)

Wir machen einen kleinen Stopp in Maca. Hier leben ungefähr 400 Familien. Es gibt eine schöne weiße Kirche mit zwei Türmen. Innen ist sie typisch peruanisch überquellend mit Gold und Ikonen ausgestattet. Der Hauptaltar füllt mit seinen Kassettenbildern den gesamten Hintergrund des Altarraumes.

Kerzenverkäuferin vor der weißen Kirche von Maca (Peru)

Margot erzählt uns hier von den Gebräuchen der Familien im Umgang mit den Toten. Einmal im Jahr werden alle landwirtschaftlichen Produkte zum Friedhof gebracht. Zubereitete Meerschweinchen, Kartoffeln, Mais, dicke Bohnen. Das alles wird von jeder Familie in einem großen Tuch auf dem Rücken zum Friedhof getragen. Dort breitet man das Mitgebrachte aus und es wird gemeinsam gegessen. Die Menschen stellen sich vor, dass die Toten mit dabei sind bei der Mahlzeit. In Ariquipa geht man vielleicht mit Blumen und einer Kerze zum Friedhof und geht wieder zurück nach Hause. Mehr nicht. Ich denke an uns selbst. Machen wir es denn anders mit unseren Toten? In besonderen Fällen: Ja.

Wir fahren jetzt zum Mittagessen nach Chivay, wo wir auch gestern schon ein Mittagsbuffet hatten. Heute werden wir aber in einem anderen Restaurant essen als gestern, in einem Lokal am plaza de armas. Etwa um 10:30 Uhr treffen wir in Chivay ein. Während wir anderen dort später essen werden, will Margot mit unserem Mitreisenden Peter, der sich offenbar eine Blasenentzündung zugezogen hat, zum Hospital fahren. Um 11:00 Uhr gibt es für uns andere die Zwischenmahlzeit in dem Restaurant. Bis dahin haben wir ein wenig freie Zeit. Ich besuche mit Johannes die Kirche des Ortes. Als wir uns ganz alleine darin finden, singe ich das berühmte volkstümliche „dona nobis pacem“. Ich habe das Gefühl, erst jetzt wirklich in Peru anzukommen.

Für unsere Gruppe ist wieder ein Buffet aufgebaut worden. Es ist noch schmackhafter und vielfältiger als gestern. Als wir nach dem Essen das Lokal verlassen und zum Bus gehen, kommt Margot gerade mit unserem Kranken zurück. Es geht ihm schon wieder viel besser. Er bekommt jetzt auch noch sein Mittagsmahl und dann brechen wir zur unserer sechsstündigen Fahrt nach Puno am Titicacasee auf.

Während der Fahrt schlafen fast alle in ihren Sitzen ein. Ich nutze die Zeit zum Schreiben. Meine besondere Freundin Doris, die Schwärmerische, freut sich total darüber, dass ich alle Einzelheiten so genau festhalte. „Was habe ich für ein Glück“, sagt sie. Auch eine andere Mitreisende, deren Mann in letzter Sekunde wegen der Verkettung unglücklicher Umstände nicht mitreisen konnte, freut sich über meine Schreibleidenschaft, weil ihr Mann auf diese Weise die Reise ein wenig miterleben kann.

Gegen 17:30 Uhr erreichen wir endlich Puno, die Stadt aus roten Ziegelsteinen. Es ist schon ziemlich dunkel draußen, so dass wir aus dem Bus heraus keine guten Fotos mehr machen können. Wir werden auch später nicht mehr in die Stadt kommen. Es steht zu viel anderes Interessantes auf dem Programm. Die  Stadt ist vollkommen verstopft mit Bussen, PKW, Taxis und zahllosen Tucktucks. Der Bus kommt nur schleppend voran. Es wird 18:00 Uhr bis wir endlich am Hotel, das etwas außerhalb der Stadt liegt, ankommen. Erst morgen früh werden wir sehen, wie schön man vom Hotel aus auf den Titicacasee schaut.

Blick auf den Titicacasee

Und jetzt noch eine kleine Kakteensammlung aufgenommen am Kreuz des Kondors für meine Schwiegertochter:

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