Der ICE ist pünktlich in München eingetroffen. Der Umstieg in die S-Bahn hat problemlos funktioniert. Wir erreichen den Flughafen wie geplant. Der Weg zum Terminal 2 führt über einen großen Platz im Freien. Ein Biergarten lädt zur Einkehr ein. Wir wollen zuerst einchecken, bevor wir daran denken, irgendwo einzukehren. Man schickt uns zu den Lufthansaschaltern. Flugtickets haben wir nicht in unseren Unterlagen. Wir brauchen nur unseren Reisepass vorzulegen. In der Warteschlange packen wir noch schnell die ein oder andere Flüssigkeit, die Schere und das Obstmesser vom Handgepäck in den Koffer um. Am Schalter erfahren wir, dass für uns bereits feste Plätze reserviert worden sind. Wir erhalten die Boarding Pässe auch schon für den Anschlussflug von Bogota nach Lima.
Jetzt ist der Moment gekommen, in dem wir uns die Thrombosespritzen setzen müssen, denn durch die Kontrolle kommen wir mit den Spritzen nicht. Wir suchen eine Toilette. Ich muss an unsere Hausärztin Beate denken, die eigentlich geraten hatte, die Spritze schon zu Hause zu setzen. Doch aufgrund der langen Zugfahrt war das keine gute Idee. „Dann müsst Ihr eben wie die Junkies die Spritze in der Toilette setzen.“ Bei den Toiletten befindet sich auch eine Behindertentoilette. Die wählen wir für uns aus. Irgendwie sind wir ja auch in gewisser Weise behindert mit unseren Krampfadern und dem erhöhten Thromboserisiko. Der Raum ist wunderbar geräumig. Wir legen unsere Taschen und Jacken ab. Ich führe die Operation als erste aus. Immerhin habe ich klare Anweisungen sowohl von Beate, als auch von der Apothekerin erhalten. Die Spritze funktioniere völlig automatisch. Ich müsse nur die Schutzkappe abziehen, die Spritze aufsetzen auf eine Bauchfalte und dann drücken. Alles Weitere geschehe automatisch. Am Ende würde die Nadelspitze wieder in die Spritze zurückschnellen. Ich desinfiziere die Bauchfalte mit einem Hygieneläppchen, entferne die Schutzkappe von der Spritze, setze sie auf und drücke hinten auf den gelben Plastikschieber. Es spritzt Flüssigkeit heraus. Die Nadel dringt aber nicht in die Bauchfalte ein. Johannes rät mir, die Nadel ganz hinein zu stoßen in die Falte und dann den Schieber hineinzuschieben. Ich folge seinem Rat. drücke die Nadel ganz in die Bauchfalte hinein und drücke den Schieber bis zum Anschlag.. Die Nadel springt nicht von alleine zurück. Ich ziehe die Spritze heraus. Sie war offensichtlich noch nicht ganz leer. Als Johannes sie entsorgen will, drückt er noch einmal auf den Schieber und der Rest der wertvollen Flüssigkeit spritzt heraus. „Ich habe die Operation verkackt“, denke ich für mich. Na ja, ich habe getan, was ich konnte. Es wird schon nicht schiefgehen. Bei Johannes funktioniert alles perfekt. Er stößt direkt die Nadelspitze tief in die Bauchfalte und drückt die gesamte Flüssigkeit ins Fettgewebe hinein. Wir legen jetzt unsere Stützstrümpfe an. Wie gut, dass wir so viel Platz haben in unserer Behindertentoilette.
Jetzt ist die Zeit gekommen, irgendwo schön einzukehren. Bis zum Abflug haben wir noch etwa zwei Stunden Zeit. Wir passieren die Sicherheitskontrolle ohne Beanstandung und müssen auch bei der Passkontrolle nicht lange warten. Ein Beamter winkt uns zu einem EasyPass-Schalter herüber, wo wir selbst unseren Reisepass zum Scannen einlegen können. Anschließend vergleicht eine Kamera unser Gesicht mit dem Foto im Pass. Es scheint übereinzustimmen. Eine Klapptür öffnet sich und wir haben keine Pflichten mehr bis zum Abflug.
Es liegen einige Restaurants und Imbislokale am Wegesrand. Wir kehren in ein ansprechendes Sebstbedienungscafé ein und genehmigen uns zwei Gläser Pinot Grigio und zwei Lachssandviches. Wir beobachten das Geschehen um uns herum. Von Zeit zu Zeit fährt ein Mobility-Service-Fahrzeug an uns vorbei und transportiert Personen mit eingeschränkter Beweglichkeit. Vorne neben dem Fahrer kann eine Person Platz nehmen und hinten gibt es zwei Plätze, die nach hinten schauen. Wir beobachten, wie ein Herr mit Gehstock dort Platz nimmt. Neben ihn klettert seine Frau auf den Transporter. Kaum sitzt sie, fährt das Fahrzeug rasant an. Die beiden halten sich hastig an einem Haltegriff fest und schon sausen sie fröhlich lächelnd davon.
Im Flughafen gibt es wieder ein kostenloses W-Lan und ich kann wundervoll mit Schreiben die Wartezeit überbrücken. Damit hat es jetzt aber leider ein Ende, denn unsere Flugbegleiterin bittet uns in diesem Moment, uns zum Einsteigen bereit zu machen.