Begegnung mit Salvador Dalí in Überlingen

Die Ausstellung in der Städtischen Galerie von Überlingen, die sich in der ersten Etage über dem Speiselokal „Zum faulen Pelz“ an der Seepromenade 2 befindet und noch weit ins Nachbarhaus hinein erstreckt, enthält etwa 300 Bilder, Skulpturen, Fotografien, Grafiken, Kunstgewerbeobjekte, Kleidungsstücke, Dokumente sowie einen Film des rätselhaften künstlerischen Genies Salvador Dali (1904 – 1985). Etwa die Hälfte der Exponate seien Originale, so die Dame an der Kasse.

Sonderausstellung Dalí in Überlingen

Wir betreten die Ausstellung schon eine Stunde vor Beginn der Führung, um in aller Ruhe die ausgestellten Werke zunächst einmal ohne Erklärungen auf uns wirken zu lassen. Die Reihenfolge der Exponate folgt der Chronologie ihrer Entstehung. Gegen den Uhrzeigersinn bewegt man sich von den frühen Schaffensjahren Dalis durch die surrealistische Periode hin zur klassischen Periode. Am Ende des Rundgangs sehen wir Salvador Dali leibhaftig in einem Armlehnstuhl sitzen. Im eleganten Anzug mit Weste und roter Krawatte gibt er sich mit lässig übereinandergeschlagenen Beinen in Denkerpose. Den Kopf stützt er in seine rechte Hand, die zugleich einen Gehstock mit goldenem Knauf hält. Kaum wage ich es, ihn zu fotografieren. Ich halte es für vollkommen realistisch, dass er es sich gleich verbitten wird, so unverfroren von mir betrachtet oder gar fotografiert zu werden. Wie ist es denn nur möglich, eine derartig lebensechte Skulptur von einem Menschen zu erschaffen? Die kleinen Härchen auf dem Handrücken, die Hautfältchen, die Fingernägel, der Haaransatz, die lebendig schauenden Augen! Lisa Büscher heißt die Künstlerin, die diese Meisterleistung vollbracht hat.

Begegnung mit Salvador Dali in Überlingen

Die Führung beginnt. Winfried Boos, ein Mitarbeiter der hirthe-GmbH für Kultur und Kommunikation, führt durch die Ausstellung. Er wird uns Salvador Dali immer wieder als genialen Ausnahmekünstler und zugleich als abstrusen Menschen nahebringen. Er beginnt schon gleich mit einer Absonderlichkeit im Zusammenhang mit Dalis Geburt am 11. Mai 2004 in Fugueres, Katalonien. Dalis Vater gibt seinem Sohn den Namen, den schon drei Jahre zuvor der vor neun Monaten verstorbene Bruder erhalten hatte. Dali empfindet dies als Kränkung, dass man ihn nicht eines eigenen Namens für wert hält. Es resultiert daraus ein nie endender Minderwertigkeitskomplex, der sich allerdings abwechselt mit maßloser Selbstüberhebung. Das Verhältnis zum strengen Vater ist belastet. Als Kind hat sich Salvador häufig im Dach eingeschlossen und dort Allmachtsphantasien ausgelebt.

Boos versteht es, uns den genialen Maler als schillernden, exzentrischen und auf der anderen Seite von seiner abstrusen Sexualität gebeutelten Selbstdarsteller plastisch werden zu lassen. So hören wir, dass Dali es liebte, zu schockieren. Am Ende seines Studiums an der „Academia San Fernando“ in Madrid weigerte er sich, vor der akademischen Prüfungkommission die Abschlussprüfung abzulegen. Er behauptete, alle Lehrer der Akademie seien unfähig, ihn beurteilen zu können. Daraufhin wird er von der Akademie ausgeschlosssen, was wiederum sein Verhältnis zum Vater schwer belastet.

Auch Dalis großformatiges Gemälde aus seiner surrealistischen Phase, dem er den Titel „Der große Masturbator“ gibt, wirkt schockierend. Gespickt mit vielen seiner typischen sexuell belasteten Chiffren (Ameisen, das Ei, der Löwenkopf, Heuschrecken) drückt Dali in diesem Werk seine verschrobene Sexualität aus.

In diesem Zusammenhang ist auch der sogenannte Space-Elefant zu erwähnen, ein Elefant mit hauchzarten überlangen Beinen, der ein häufig wiederkehrendes Motiv in Dalis Werken darstellt. Das schwere Tier, das als Symbol für Stärke, Dominanz und Macht gilt, kontrastiert er mit einer Zerbrechlichkeit, indem er ihm die fast unsichtbaren langen Spinnenbeine verleiht. Häufig tragen die Elefanten bei Dali auch noch einen schweren Obelisken, der bei näherem Hinsehen jedoch als schwebend erkannt werden kann.  

Skulptur des Space-Elefanten von Dali

Die Begegnung Dalis mit Gala, seiner großen Liebe und Muse, ist ebenfalls eine spektakuläre Geschichte. Gala, eine russische Immigrantin, war 10 Jahre älter als Salvador. Er verfiel ihr total und sie rettete ihn aus seinen Wahnvorstellungen und ermöglichte ihm ein Leben in der Realität. Gala, damals noch verheiratet mit Paul Éluard, einem surrealistischen Dichter, lebte in Paris ein mondänes Leben der Selbstinszenierung. Die offene Ehe des Paares erlaubte beiden dauernd wechselnde Liebesaffairen. Ihr gemeinsames Kind, das ihrem Lebensstil im Wege stand, gaben sie zur Adoption frei. Gala, die von unzähligen Künstlern angebetete geheimnisvolle Schöne, entschied sich für ein Leben mit Dali. Sie ließ sich von Éluard scheiden und heiratete Dali. Ihr praktisches Talent, mit dem sie seine genialen Einfälle zu vermarkten verstand, verschafften den beiden im Laufe der Zeit ein großes Vermögen.

Salvador und Gala Dali

Die Surrealistengruppe um André Breton hielt Dali vor, die Idee des Surrealismus zu verraten und warf ihm vor, es gehe ihm nur noch um Dallars. Breton bildete aus Dalís Namen das bissige Anagramm „Avida Dollars“ („gierig nach Dollars“). Dali reagierte darauf, indem er eine Zeit lang seine Bilder mit diesem Anagramm unterzeichnete.

Als Dali etwa 60 und Gala etwa 70 Jahre alt war, gingen die beiden getrennte Wege. Dali entdeckte für sich eine neue Muse, die Sängerin Amanda Lear, die für ihn Modell stand und ihn eine Zeit lang zu gesellschaftlichen Auftritten begleitete.

Salvador Dali, Amanda Lear als Venus von Botticelli, 1970 Lithografie

Für Gala restaurierte Dali ein altes Schloss, in dem sie fortan lebte. Boos hält ein Foto der 70-jährigen Gala hoch und meint dazu, dass sich für sie ja wohl niemand mehr interessieren könne. Aber weit gefehlt, ergänzt er, Gala sei immer noch sehr begehrt gewesen. Sie ließ ihre jungen Liebhaber einfliegen lebte und lebte ein fröhliches beschwingtes Leben in ihrem Schloss. Ihrem Ehemann untersagte sie, unangemeldet bei ihr zu erscheinen. Ihr Tod im Jahre 1982 hat Salvador Dali sehr getroffen. Er reagierte auf den schweren Verlust seiner geliebten Frau mit Nahrungsverweigerung. Danach schuf er nur noch ein einziges Werk bis er im Jahre 1989 starb.

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