Ein regnerischer Vormittag

Es ist kalt und leicht regnerisch. Wir brechen nach dem Frühstück zu einem kleinen Einkaufsbummel in die Stadt auf. Die größere Wanderung, die wir heute machen wollten, verschieben wir auf den Nachmittag in der Hoffnung auf Wetterbesserung.

Als wir das Haus verlassen, hört es gerade auf zu regnen. Unser erstes Ziel ist die Münster-Apotheke. Eine Einheimische, der wir bei einem unserer ersten Seespaziergänge begegnet waren, hatte Johannes schwere Erkältung bemerkt. Sie empfahl uns den Apotheker Herrn Munk. Bei ihm werde man bestens beraten und mit pflanzlichen Präparaten versorgt. Wir waren bereits einmal in der falschen Apotheke. Als wir nach Herrn Munk fragten, hieß es, der führe dahinten die andere Apotheke und ja, das könne man sich vorstellen, dass er gut berate. „Er ist ein alter Hase.“ Heute gehen wir in die andere Apotheke. Als wir eintreten, zieht Herr Munk sich gerade zu einem intensiven Beratungsgespräch mit einer jungen Frau in eine Ecke seines Verkaufsraumes zurück. Wir erkennen ihn gleich. Er ist der einzige im Laden, der wie ein alter Hase aussieht und außerdem geht er ja gerade der Tätigkeit nach, für die er berühmt ist. Das Beratungsgespräch dauert sehr lange. Die junge Frau schaut Herrn Munk sehr aufmerksam an und nickt von Zeit zu Zeit freundlich. Johannes wird inzwischen schon von einer Dame bedient und kauft Nasenspray und Emser Salz. Seinetwegen muss das mit der Beratung nicht sein. Da verabschiedet sich Herr Munk von seiner Kundin und begibt sich wieder hinter seinen Tresen. Ich spreche ihn an und erzähle ihm von der Empfehlung. Er lächelt. Dann hört er sich Johannes Krankheitsgeschichte an und empfiehlt ihm ein pflanzliches Mittel aus einheimischen Pflanzen zur Stärkung des Immunsystems. Davon solle Johannes alle zwei Stunden zwei Tabletten nehmen. Wir kaufen das Präparat.

Wochenmarkt in Überlingen

Dann verlassen wir die Apotheke und treten nach draußen. Es hat wieder angefangen zu regnen. Der Marktplatz spiegelt vor Nässe und leuchtet bunt von all den vielen Regenschirmen. In Überlingen findet demnächst die Kommunalwahl statt. Zusätzlich zu den diversen Verkaufsständen des Wochenmarktes haben auch alle möglichen Parteien Stände aufgebaut und verteilen Flugblätter, Luftballons und Blumentöpfchen an die Passanten. Wir flüchten vor dem Regen in das „Café im Rathaus“. Auf diese Idee sind leider gerade auch andere gekommen. Das Café ist übervoll. Es gibt keinen einzigen freien Tisch mehr. Aber wir sehen zwei braune Ledersessel, die frei sind. Zwar stehen sie nicht am selben Tisch, aber mit einer kleinen Umräumaktion wäre das leicht zu bewerkstelligen. Eine junge Mutter mit ihrem Söhnchen sitzt an einem runden Cafétisch in der Nähe unserer Sessel. Wir fragen sie, ob wir uns mit an ihren Tisch setzen dürften. Sie sei ohnehin gerade im Begriff zu gehen, hieß es.

Café im Rathaus Überlingen

Man muss sich selbst bedienen im Café im Rathaus. Das ist lästig. Gerade jetzt, wo so viele Leute vor dem Regen hier hinein geflüchtet sind, ist die Kassenschlage ziemlich lang. Johannes erklärt sich bereit, sich dort anzustellen und zwei Cappuccino für uns zu holen. Ich schaue mich um in dem Lokal. Es gefällt mir sehr gut hier. An den Wänden entlang sind zahllose Regale mit Nippes und Dokorationsartikeln aufgestellt. Überall im Raum stehen Tische, auf denen hübsche kunstgewerbliche Gegenstände ausgestellt sind. Der Holzfußboden gibt dem Raum eine wohnliche Atmosphäre. Auch die dezente Jazzmusik spricht mich sehr an.

Überlingen, Café im Rathaus

Ein älteres Paar mit Hund setzt sich zu mir an den Tisch mit den zwei frei gewordenen Sesseln. Sie platziert ihren Mann mit dem Tier auf den einen Sessel und geht sich erst einmal anstellen für zwei Kaffee. Kurz darauf schon kommt sie zurück und erklärt empört, dass 15 Leute in der Schlange stehen. Das sehe sie nicht ein. Sie nimmt neben ihrem Mann Platz. Die beiden reden nicht miteinander. Von Zeit zu Zeit fängt sie noch einmal an zu erklären, warum sie sich da jetzt nicht in die Schlange stellt.

Inzwischen kommt Johannes mit unseren zwei Cappuccino zurück. Diese Tatsache löst bei unserer Tischnachbarin wieder einen Schwall an Selbsverteidigungsreden aus. Ich dagegen genieße es einfach nur, dort zu sitzen, mit Johannes zu reden, meinen Cappuccino zu schlürfen, die Musik zu hören und die Grüppchen um mich herum zu beobachten. Hinten am Fenster sitzen zwei elegante junge Frauen, beide mit blondem langen Haar, und reden temperamentvoll gestikulierend miteinander. Ich stelle mir vor, dass sie intime Freundinnen sind und sie sich ihre Probleme mit dem jeweiligen Partner gegenseitig anvertrauen. Wie wertvoll, eine solche Frauenfreundschaft! Am Nachbartisch beobachte ich einen Herrn, der Zeitung liest. Mit den anderen Herrschaften an seinem Tisch scheint er nichts zu tun zu haben. Neben ihm ist ein Platz frei. Er hat seine Jacke über den Sessel gehängt. Plötzlich kommt eine sportliche junge Frau auf ihn zu. Sie überreicht ihm ein Pflänzchen im Blumentopf. Sie sagt, es sei eine Sonnenblume. Eine ebensolche Pflanze habe ich heute Morgen von den Grünen überreicht bekommen, obwohl ich erklärt habe, dass ich Touristin bin und gar nicht mitwählen werde. Das sei aber egal. Ich fand das sympathisch. Der Herr nimmt wortlos die Pflanze von seiner Frau entgegen und auch die volle Einkaufstasche. Er stellt alles neben sich ab und nimmt sich seine Zeitung wieder vor, während seine Frau wieder nach draußen geht. Ich stelle mir vor, dass sie ihren Mann im Café abgestellt hat, um in Ruhe ihren Markteinkauf erledigen zu können.

Der Zeitungleser, Café im Rathaus

Gleich vor mir an einem höheren rechteckigen Tisch sitzen zwei junge Paare. Die eine Frau ist offensichtlich schwanger. Von hinten sieht man es ihr nicht an. Sie trägt ganz nach vorn wie man so schön sagt. Ein kugelrundes ästhetisch anzusehendes Bäuchlein. Ich muss es unwillkürlich vergleichen mit dem ausladenden Bauch des gerade ins Café eintretenden Herrn. Was für einen kostbaren Inhalt doch dieser weibliche Bauch enthält. Ob der Ehemann der jungen Frau das angemessen zu würdigen weiß? Er scheint mir gleichgültig und unaufmerksam zu sein.

Die Kassenschlange ist inzwischen sehr kurz geworden. Vermutlich regnet es draußen nicht mehr. Jetzt begibt sich unsere Tischnachbarin dorthin, um sich auch anzustellen. Wir dagegen erheben uns in der Hoffnung, unsere Einkäufe im Trockenen fortsetzen zu können.

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