Der Schwansee und seine Schlösser

Panoramablick über den Hopfensee am Morgen des 13.2.2019

Der morgendliche Blick aus dem Fenster zeigt endlich wieder den atemberaubenden Anblick jenseits des Sees vom ersten Tag. Zwei Tage lang waren die Berge verschwunden. Jetzt stehen sie wieder da vor dem makellos blauen Himmel in voller leuchtender Pracht. Eigentlich hatten wir uns nach dem gestrigen Gewaltmarsch vorgenommen, heute einmal eine Pause einzulegen. Aber das Wetter verführt uns, wenigstens eine kleine Runde durch die glitzernde Herrlichkeit zu wandern. Wir suchen einen kurzen Rundwanderweg aus, die sog. „Schwanseerunde“. Sie ist 3,2 km lang, dauert eine Stunde und überwindet nur 25 Höhenmeter. Ursprünglich hatten wir auch einmal mit dem „Drei-Schlösser-Weg“ geliebäugelt, der im Zentrum von Füssen startet und am Hohen Schloss über der Altstadt von Füssen vorbei über den Kalvarienberg zum Schwansee und den Königsschlössern Neuschwanstein und Hohenschwangau führt. Er ist 5,1 km lang, überwindet 188 Höhenmeter und dauert eineinhalb bis zwei Stunden. Es ist allerdings kein Rundweg, so dass wir am Ende die ganze Strecke noch einmal zurück laufen müssten. Das ist viel zu viel für heute.

Wir fahren mit dem Auto zum Parkplatz am Eingang des Schwanseeparks. Dieser Park unterhalb des Schlosses Hohenschwangau, das Sommerresidenz von König Maximilian II gewesen ist, gilt als gartenarchitektonisches Meisterwerk. Die berühmten Gartenbauer Sckell und Lenné haben ihn gestaltet. Unter der winterlichen Schneedecke entfaltet der Schwanseepark natürlich nicht seine volle Pracht. Allerdings bietet er auch jetzt einen großartigen Landschaftsanblick mit seinen baumumstandenen schneebedeckten Rasenflächen und dem imposant aufragenden Schwarzenberg dahinter. Auf den Flächen sind breite Langlaufloipen gespurt, auf denen einige Läufer elegant dahingleiten.

Der Rundweg beginnt am Parkplatz. Mit uns gleichzeitig starten zwei junge Frauen mit Pferdeschwänzen in perfekter Wanderausrüstung. Sie versuchen gerade, ihre Schneeschuhe anzulegen. Wir unterhalten uns ein wenig mit ihnen und fragen, wie es sich mit diesen Geräten laufen lässt. Das wissen sie selbst noch nicht so genau. Sie versuchen es heute zum ersten Mal. Bis sie ihre Schneeschuhe angelegt haben, sind wir schon ein ganzes Stück weitergekommen auf dem Weg durch den Park. Da wir aber immer wieder Fotostopps einlegen, überholen sie uns doch irgendwann, um allerdings kurze Zeit später schon wieder stehen zu bleiben und uns vorbeizulassen. Hier beginnt nämlich eine längere völlig von Schnee geräumte Strecke, für die sie die Schneewanderhilfen wieder ablegen müssen.

Blick über den Schwanseepark auf den Schwarzenberg

Wir laufen inzwischen schon am Ufer des Schwansees entlang. Der Übergang von den schneebedeckten Rasenflächen zum zugefrorenen Schwansee mit Schneedecke ist alleine daran erkennbar, dass es keine Loipen mehr auf der Schneefläche gibt. Die Sonne steht jetzt um 11:30 Uhr schon so hoch über den Bergen im Südosten, dass wir momentan im Sonnenschein marschieren können. Wir argwöhnen allerdings, dass die zweite Hälfte des Rundweges, der ja am Südostufer des Schwansees entlangführt, in tiefem Schatten liegen wird, wenn wir dorthin kommen. Wir schauen noch einmal in unsere Unterlagen und versuchen, eine alternative Strecke zu finden, die ganz in der Sonne verläuft. In diesem Moment werden wir wieder von den beiden sportlichen Freundinnen mit Pferdeschwanz überholt, die uns freundschaftlich anlächeln. Wir entdecken tatsächlich, eine Möglichkeit, den Weg anders fortzusetzen. Demnächst zweigt ein Teilstück des Drei-Schlösser-Weges nach rechts ab, auf dem wir zum Kalvarienberg hinauflaufen können. Der Kalvarienberg ist eine Kreuzwegstation mit Kapelle auf einem Hügel gegenüber der Altstadt von Füssen, von dem aus man einen großartigen Blick auf Füssen und die drei Schlösser haben soll. Die Streckenänderung zieht zwar größere Höhenunterschiede nach sich, was wir aber zugunsten der attraktiven Sonnenlage gerne in Kauf nehmen. Schon bald zweigt die neue Strecke nach rechts ab und führt sanft ansteigend in einen lichten Wald hinauf, der kaum Schatten wirft. Die beiden Mädels haben schon wieder angehalten, um sich die Schneeschuhe erneut anzulegen. Wir gehen an ihnen vorbei und sind für eine Weile wieder vorne. Serpentinenartig schraubt sich der Weg immer weiter in die Höhe. Von Zeit zu Zeit schauen wir uns um und werfen einen Blick ins Tal und auf das Schloss Neuschwanstein gegenüber.

Schloss Neuschwanstein

Der Aufstieg ist nicht unanstrengend und wir wünschten, es stünde einmal eine sonnenbeschienene Bank am Wegesrand, auf der wir Rast machen könnten. Da erblicken wir einen Wegweiser zum Kavarienberg, der in Richtung eines noch steiler rechts hinaufführenden Abzweigs weist. Allerdings ist diese Strecke mit einem rot-weiß gestreiften Absperrband abgeriegelt. Wir sehen auch sofort, dass der Weg nicht geräumt ist. Es gibt zwar eine Laufspur, auf ihr aber befindet sich Neuschnee von mindestens zwei Tagen. Wir sehen eine sehr einladende Bank dort oben an dem gesperrten Weg voll im Sonnenschein stehen mit Blick ins Tal und auf den Schwarzenberg. Wir heben das Absperrband ein wenig hoch und steigen darunter durch. Wir müssen unsere Schritte sehr vorsichtig setzen, um nicht auszurutschen auf der Eisschicht unter dem Neuschnee. Schon bald sitzen wir herrlich warm und entspannt auf der hohen Bank, die wir allerdings zuerst von ihrer Schneeschicht befreien und anschließend mit Taschentüchern trocknen mussten. Die Winterjacken können wir sogar ausziehen. Unten gehen unsere Freundinnen vorbei und winken zu uns hinauf.

Unsere beiden Freundinnen vom Schwansee

Eine Viertelstunde bleiben wir auf unserem exklusiven Aussichtsplatz sitzen und denken darüber nach, welchen Weg wir nun weiter gehen sollen, nachdem der Zugang zum Kalvarienberg offensichtlich gesperrt ist. Wir entscheiden, einfach wieder denselben Wege zurükzugehen, auf dem wir gekommen sind und uns anschließend die Schlösser einmal von Nahem anzusehen, indem wir mit dem Wagen dorthin fahren. Vorsichtig steigen wir die steile Strecke wieder hinab bis zum Absperrband und schlüpfen darunter durch. In diesem Augenblick kommt ein junges Paar von rechts vorbei, erblickt die herrliche Bank und tut es uns nach. Wieder einmal haben wir jemandem eine Freude machen können durch Vorwärmen und anschließendes Freimachen eines Logenplatzes.

Bis zum Schwanseepark geht es nun kontinuierlich bergab. Von Zeit zu Zeit heben wir den Blick, der eigentlich immer auf den Weg gerichtet sein sollte, um Rutschpartien zu vermeiden, und lassen ihn über die schattige Nordwand der Felsenberge hinter dem Schwansee bis zum Schloss Neuschwanstein in der Ferne schweifen. Plötzlich entdecken wir über den Tannenwipfeln den Halbmond von letzter Nacht und staunen darüber, wie deutlich man ihn erkennen kann am helllichten Mittag. Er liegt jetzt nicht mehr wie eine Babywiege, sondern hat sich gegenüber gestern Nacht aufgerichtet in einer Linksdrehung um 90°. Wir versuchen, ihn einzufangen mit einem Foto. Aber der überhelle Himmel gibt ihn nicht preis durch die Linse des Fotoapparates. Auf gut Glück machen wir ein paar Himmelaufnahmen.

Halbmond am Allgäuer Mittagshimmel

Inzwischen haben wir den Schwanseerundweg wieder erreicht. Vor uns her in einer gewissen Entfernung sehen wir unsere beiden Freundinnen marschieren. Die Schneeschuhe haben sie abgeschnallt und hinten auf ihre Wanderrucksäcke gebunden. Sie waren ja weitergelaufen an der Stelle mit dem Absperrband und sind auch nicht noch einmal an uns vorbeigekommen. Wir hätten den Weg also auch weitergehen können und wären wieder auf die Schwanseerunde gestoßen.

Wir erreichen den Parkplatz und geben in unseren Navi das Schloss Neuschwanstein als Ziel ein. In meiner Vorstellung sehe ich uns vor dem Schloss vorfahren, den Wagen parken und in einem sonnigen Café einen Tisch aufsuchen, an den wir uns setzen. Das wäre ein schöner königlicher Abschluss unseres Wandervormittags. Der Navi führt uns auch auf den richtigen Weg. Er veranlasst uns nicht, auf den überdimensionalen, mit Autos vollgestellten Touristenparkplatz für das Schloss zu fahren, sondern leitet uns immer weiter, immer näher an das Schloss heran. Zuletzt sollen wir nach links abbiegen auf eine Straße, die steil den Berg hinauf direkt zum Schloss führt. Nur ist diese Straße leider für Autos gesperrt. Wir müssen einsehen, dass es doch nicht so einfach ist, das Schloss zu erreichen, wie wir gedacht hatten. Jetzt erst erkennen wir, was hier eigentlich los ist auf der Straße unterhalb von Schloss Neuschwanstein.  Es reiht sich ein Souvenirladen, ein Schnellimbiss, ein Ticketschalter an den anderen. Überall wimmelt es von Touristen. Pferdekutschen fahren vor langen  Besucherschlangen vor, lassen einen Teil der schon lange ungeduldig Wartenden einsteigen und transportieren sie über die für uns gesperrte Straße hinauf zum Schloss. Es graust uns beim Anblick dieser Hektik und wir verabschieden uns von dem Gedanken, das Schloss besuchen zu wollen. Stattdessen freunden wir uns mit dem Gedanken an, in den Biergarten am Seeufer den Hopfensees gegenüber von unserem Hotel einzukehren und dort eine kleine Mittagsmalzeit einzunehmen. Eine Viertelstunde später schon sitzen wir dort an einem sonnigen Plätzchen und lassen es uns gutgehen.

Kutschfahrt zum Schloss Neuschwanstein

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