Bergen, 2. Juli. Um 16 Uhr betreten wir das Schiff. Die Sonne scheint. Nur ein paar Wölkchen sind am Himmel. Vom Außendeck aus hat man einen großartigen Blick auf Bergen. Das englische Ehepaar, das wir schon beim Einchecken kennengelernt hatten, sagt zu uns „Bon voyage“. Wir wundern uns, dass Sie uns die gute Reise auf Französisch wünschen. Sie erklären, das englische „good journey“ sei nicht auf die gleiche Weise „significant“.
Wir erkunden ein wenig die MS Finnmarken. Die Panorama-Lounge auf Deck 8 mit ihren bodentiefen Fenstern im Bug des Schiffes gefällt uns am besten. Wir werden später den Abend bis fast Mitternacht hier verbringen. Und zwar ganz vorne in der ersten Reihe, direkt am Fenster. Obwohl wir die Plätze erst in später Nacht freimachen werden, wird es sofort Interessenten geben, die sich dort hinsetzen. Morgen werden wir beobachten, dass Leute sogar mit ihren Jacken die Superplätze reservieren und dann stundenlang nicht erscheinen.
Wir bekommen heute, weil es der erste Tag auf dem Schiff ist, ausnahmsweise ein Abendessen mit freier Platzwahl in Buffetform angeboten. Für den Rest der Reise werden wir dann abends feste Plätze mit immer denselben Tischnachbarn haben. Das mehrgängige Abendmenü wird am Tisch serviert werden. Vor dem Essen haben wir noch genügend Zeit, unsere Kabine zu beziehen. Sie besitzt zwei Bullaugen. Die Betten sind leider getrennt. Es gibt ausreichend Schränke und Unterstellmöglichkeiten für die Taschen und Koffer, sogar einen Schreibtisch. Als wir später den Speisesaal betreten, sind fast alle Fensterplätze bereits besetzt. Nur ein runder Tisch mit sechs Stühlen ist noch frei. Zuerst haben wir unerklärliche Hemmungen, uns dort hinzusetzen. Wir durchwandern das gesamte Restaurant und entscheiden uns anschließend doch für den runden Tisch. Es dauert eine Weile bis jemand den Mut hat, sich zu uns zu setzen. Das Runde des Tisches suggeriert vielleicht, dass dort nur eine Gesellschaft Platz nehmen könne, die zusammen gehört. Eine ältere Dame mit ihrer Tochter tritt an den Tisch und fragt vorsichtig, ob sie sich zu uns setzen dürften. Die ältere Dame kommt neben mir zu sitzen. Als die Tochter zum Buffet geht, vertraut sie mir an, sie esse ja gar nicht gerne Fisch, was ja eigentlich nicht zu einer Seereise passe. Den Urlaub mit Hurtigruten mache sie nur ihrer Tochter zuliebe, die sich die Reise so sehr gewünscht habe. Später bestätigt die Tochter dies. Sie träume seit ihrer Kindheit von der Hurtigrutenfahrt. Die beiden leben in Hannover, stammen aber ursprünglich aus Essen.
Um 20:00 Uhr legt das Schiff in Bergen ab. Wir schauen vom Achterdeck aus zu. Ein erhebender Augenblick, als das Schiff sich in Bewegung setzt. Bergen entfernt sich langsam. Schon bald können wir in das Hafenbecken hineinschauen, das von den bunten Hansehäusern gesäumt ist. Wir machen noch ein Foto vom gesamten Bergenpanorama mitsamt der Aussichtsplattform, von der aus wir gestern noch hier hinab geschaut hatten. Fast ist unsere Anwesenheit dort noch präsent. Es ist, als könnten wir uns selbst zuwinken.
Wir bleiben eine Weile hier draußen sitzen, bestrahlt von der noch hoch stehenden wärmenden Abendsonne. Dann begeben wir uns in den attraktiven Panoramaraum. Alle Fensterplätze sind besetzt. Nur ein Tischchen ohne Sessel ist noch frei. Schnell stellen wir fest, dass sich die Sessel leicht transportieren lassen und holen uns je eine Sitzgelegenheit aus der zweiten Reihe an das freie Tischchen am Fenster. Die Logenplätze par excellence! Hier blieben wir bis fast Mitternacht ohne die Tendenz etwas anderes tun zu wollen, als zu schauen. Die Abendsonne taucht die Wasserfläche und die vorübergleitenden Hügel in ein einzigartiges faszinierendes Licht. Der Nachbar links von mir nimmt einmal Blickkontakt zu mir auf und meint strahlend: „Ist das nicht schön?“ „Aber absolut!“ ist meine Antwort.