Dritter Anlauf

Der Himmel sieht heute sehr viel besser aus als gestern und vorgestern. Lockere Wölkchen vor blauem Himmel. Der Tag bietet sich an für unzählige herrliche Unternehmungen. Was machen wir? Mit Juli Zeh frage ich: Muss man immer etwas machen? Johannes antwortet: Nein. Ich aber bin für das Machen und überrede Johannes, noch einmal die Rundtour „Überlingen-Ludwigshafen-Stockach-Linzgau-Überlingen“ in Angriff zu nehmen. Johannes ist einverstanden.

Goldbach, Sipplingen, Bodman-Ludwigshafen haben wir ohne Regentropfen hinter uns gebracht und erreichen Stockach bei bestem Wetter. Wir erinnern uns gerne an die freundliche Bedienung im Café Seilerhaus, kehren aber nicht noch einmal dort ein. Dafür betreten wir diesmal die St. Oswald-Kirche und singen das Dona nobis pacem. Spirituell gestärkt treten wir die Fortsetzung der Tour an. Von dem historisch interessanten Hans-Kuony-Brunnen aus folgen wir der Hauptstraße bis ein Hinweisschild nach rechts in Richtung Winterspüren weist.

Hans-Kuony-Brunnen in Stockach

In unserer Broschüre heißt es nun, dass ein ausgeschilderter Radweg durch die schöne Tallandschaft über Winterspüren, Frickenweiler und Mahlspüren im Tal nach Seelfingen führt. Diese Hinweise auf einen Radweg finden wir nicht. Statt dessen folgen wir dem Hinweisschild für Wanderer in Richtung Winterspüren. Alsbald gelangen wir auf diesem sehr idyllischen von Autostraßen fernen Wanderweg in einen Wald hinein. Es geht steil bergauf. Wir schrauben uns immer höher hinauf. Das kommt uns nicht verkehrt vor, denn das Bodenseehinterland ist ja sehr bergig und liegt auf einem viel höheren Niveau als der See. Von Zeit zu Zeit tauchen weitere Wanderhinweise auf, die bestätigen, dass wir auf dem richtigen Weg nach Winterspüren sind. Wir überholen ein älteres Paar, das mit Wanderstöcken den steilen Weg hinaufwandert.

Wanderweg von Stockach nach Winterspüren

In dem Moment, als wir denken, höher kann es jetzt nicht mehr hinauf gehen, stoßen wir auf eine T-Kreuzung ohne Hinweisschild. Ratlos stehen wir vor der Alternative, uns nach rechts oder nach links zu wenden. Eine große Infotafel am Wegesrand lässt uns hoffen. Aber es geht um Eiszeitweiher der Stockacher Wälder. Sehr interessant, aber für uns momentan nicht hilfreich. Ein riesiger Laster mit Anhänger, der Baumstämme geladen hat, fährt gerade an uns vorbei. Wir machen ihm Zeichen, anzuhalten und uns zu helfen. Wir fragen ihn, wo es nach Winterspüren geht. Er meint, man komme auf beiden Wegen dorthin. Der rechte sei aber sehr steil und schlecht befahrbar. Der linke sei länger, aber flacher. Wir entscheiden uns für den flacheren Weg, auf dem auch der Lastwagen langsam hinabrollt. Das ältere Wandererpaar ist inzwischen bei uns eingetroffen. Die beiden sind von dem empfohlenen Weg gar nicht überzeugt. Das sei gar kein richtiger Weg. Wir aber lassen uns nicht beirren und fahren dort hinab. Ein riesiger Irrtum. Der Waldweg wird immer schlammiger. Die Fahrräder sind schon dicht mit Schlamm bedeckt. Unsere Waden sind von Schlammspritzern gefleckt. Es geht steil bergab. Wie steil wäre der andere Weg wohl gewesen? Jetzt geht der Matscheweg in einen Schotterweg über, den wir wegen der Rutschgefahr nur langsam fahren können. Da kommt uns auch noch eine riesige Walze entgegen, die die volle Breite des Weges einzunehmen scheint. Wir halten an und drücken uns ganz weit an den rechten Rand des Weges. Die Walze fährt ungerührt dicht an uns vorüber und walzt den unebenen Waldweg platt. Wäre sie doch schon eher an uns vorbeigekommen. Wir fahren in ihrer Spur weiter bergab bis wir endlich auf die Landstraße stoßen, der wir vermutlich von Anfang an hätten folgen sollen. Hier treffen wir auch unseren Baumstämmetransporter wieder. Er wurde hier abgestellt neben anderen Lastern mit Baumstämmeladungen.

Radweg nach Winterspüren

Neben der Landstraße ist ein breiter Radweg eingerichtet. Auf ihm gelangen wir schon bald nach Winterspüren. Der Ortsname ist seltsam. Kann man hier den Winter spüren? Wir spüren langsam ein wenig Hunger und suchen nach einer Bank mit Aussicht für unser Picknick. Wir verlassen die Landstraße und fahren in den Ort hinein. Leider stoßen wir überall auf Absperrungen, die uns veranlassen wollen, nicht in den Ort zu fahren. Wir ignorieren die Verbotsschilder und fahren an allen Absperrungen vorbei. Irgendwann sehen wir eine schattige Bank unter einem Baum mitten in verwildertem Gras stehen. Schnell entdecken wir, dass wir die Bank leicht fortbewegen können, obwohl sie überdimensional lang ist. Wir möchten uns in dem hohen Gras keine Zecke zuziehen und lechzen ein wenig nach wärmenden Sonnenstrahlen. Wir stellen das riesige Monstrum auf die gepflasterte Parkfläche eines Mehrfamilienhauses in die Sonne. Wir packen unsere Proviantbrote aus, die Kirschen und die Erdbeeren. Kaum beginnen wir unser Mahl, als unweit von uns ohrenbetäubender Straßenbaulärm ertönt. Das haben wir uns natürlich selbst eingebrockt. Die Absperrungen hätten uns darauf vorbereiten können, dass hier schwer gearbeitet wird. Wir sind zu erschöpft, jetzt noch einmal wieder aufzubrechen und uns einen anderen Platz zu suchen. Auch hätten wir ja zuerst einmal das Monstrum wieder zurücktransportieren müssen. Wir bleiben sitzen und ertragen den Lärm. Aus dem Haus tritt mehrfach jemand heraus und nickt uns freundlich zu. Wir sind freudig überrascht, dass niemand meint, uns auffordern zu müssen, die Bank später wieder unter den Baum zu stellen.

Halbwegs gut erholt und gut gesättigt setzen wir unsere Fahrt fort. Wir durchqueren Frickenweiler und Mahlspüren und gelangen nach Seelfingen, wo es kurz vor dem Ortsende links steil bergauf geht in Richtung Herbstenhof. Weiter geht es nach Heggelbach. Den Ausblick auf die Hegau-Vulkane, den man hier genießen können soll, suchen wir vergeblich.

Blick auf Mahlspüren im Tal

In Heggelbach biegen wir links nach Herdwangen ab und durchqueren den Spießhof. Irgendetwas müssen wir jetzt falsch gemacht haben, denn wir halten uns zu lange in Richtung Herdwangen bis wir in der Ferne den Ort schon mit seiner gedrungenen weißen Kirche über dichten Bäumen hervorlugen sehen. Wir hätten vom Spießhof aus geradeaus über die Kreuzung nach Oberhaus fahren sollen. Von dort wäre es schon auf die Landstraße in Richtung Owingen gegangen. 500 m weiter wären wir dann nach links abgebogen auf den ausgeschilderten Radweg nach Hohenbodman.

Blick auf Herdwangen

Wir stoßen auf eine T-Kreuzung. Der Fahrradweg nach Owingen geht nach rechts. Herdwangen aber liegt auf der linken Seite etwas tiefer im Tal. Sollen wir Herdwangen besuchen und dort einen Kaffee trinken? Schmerzlich ist nur der Gedanke, jetzt wieder bergab zu rollen und später alles wieder hinauffahren zu müssen. Aber wozu haben wir denn E-Bikes? Wir rollen nach Herdwangen hinab. Es geht immer tiefer und tiefer. Den Kirchturm haben wir schon aus den Augen verloren. Eine Dame arbeitet gerade in ihrem Vorgarten. Wir fragen sie nach dem Weg. Sie bestätigt uns, dass wir richtig fahren und gibt uns die beruhigende Auskunft, dass wir auch eine Tasse Kaffee bekommen können in Herdwangen. Es gebe zwar kein Café, aber einen kleinen Hofladen, der auch ein paar Tische draußen stehen habe.

Wir fahren noch ein ganzes Stück hinab bis wir endlich die Kirche sehen und das Rathaus von Herdwangen. Wir fahren auf den großen Dorfplatz und fragen noch einmal nach einem Lokal, wo wir einen Kaffee trinken können. Die junge Frau mit Kinderwagen, die wir ansprechen, schaut leicht genervt und meint, so etwas gebe es hier im Ort nicht. Wir erinnern uns, dass die Gärtnerin erwähnt hatte, dass der Laden auf der Rückseite der Kirche liege. Wir fahren also um die Kirche herum und schon sehen wir den Laden mit seinen beiden Holztischen, die zur Einkehr einladen. Die junge Bedienung ist überaus freundlich und zuvorkommend. Wir bestellen nicht nur zwei Kaffee mit Schlagsahne, sondern auch noch zwei Stücke von dem frisch gebackenen Apfelkuchen.

Hofladen in Herdwangen-Schönach

Wir fahren nicht wieder den Berg hinauf, sondern folgen dem Rat der Hofladenbedienung und schlagen eine andere Strecke ein, die uns nach Hohenbodman bringen wird, wo es einen interessanten Aussichtsturm mit 360°-Rundblick gibt. Dort können wir uns dann wieder der Wegbeschreibung unserer Broschüre vom BodenSeeTeam anschließen.

Nach etwa 40 Minuten passieren wir eine Straußenfarm mit einer gigantischen Ansammlung an Straußen. Wir treten an den Zaun, um die großen Tiere von Nahem zu fotografieren. Sie kommen herbeimarschiert und schlängeln uns mit ihrem langen Hals ihren Schnabel entgegen, der wie ein lachender Mund aussieht. Wir verlassen die zutraulichen Wesen wieder und fahren weiter.

Straußenfarm Beutenmühle

In Hohenbodman halten wir uns geradeaus. Kurz vor dem Ende des Ortes sehen wir den gigantischen Turm rechts unter uns. Zum Fuße des Turmberges führt die Straße ein langes Stück bergab. Danach beginnt ein steiler Pfad, der zum Turm hinaufführt. Im Turbo-Modus schweben wir den Berg hinauf. Im Turm herrscht Maskenpflicht. Ein Paar, das gerade den Turm verlässt, teilt uns mit, dass niemand mehr im Turm sei. Wir könnten auf die Masken verzichten. Das ist ein wertvoller Hinweis, denn in dem engen Wendeltreppenhaus ist es stickig und die Puste geht uns ohnehin bei dem anstrengenden Aufstieg schnell aus. Schier endlos kommt es uns vor bis wir endlich die Plattform mit der Aussicht erreichen. Der eindrucksvolle Rundblick entschädigt voll für die Mühen. Wir schauen bis zum Bodensee, auf die Alpen, ins Linzgau und bis zum Schloss Heiligenberg.

Aussichtsturm in Hohenbodman

Nach der Turmbesteigung rollen wir die Straße hinab bis wir wieder auf eine Landstraße stoßen. Links beginnt schon Ernatsreute. Wir fahren rechts in Richtung Owingen. Kurz vor dem Wald biegen wir links auf einen Weg nach Urzenreute und Owingen ein. In Owingen fahren wir kurz vor der Kirche nach links in Richtung Überlingen. Jetzt geht es fast nur noch bergab. Immer geradeaus folgen wir den Hinweispfeilen und kommen bei unserer Ferienwohnung wieder an. Aufgrund unserer beiden unfreiwilligen Abweichungen von der Wegbeschreibung haben wir insgesamt 60 km zurückgelegt.

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