Sechste Etappe von Bestwig bis Winterberg (22.05.2025)

Im Kloster wird schon ab 7:30 Uhr gefrühstückt. Um 9:30 Uhr soll man schon das Zimmer verlassen. Wir stehen pünktlich auf. Ich absolviere meine allmorgendliche Rückengymnastik in dem geräumigen Mehrbettzimmer. Dann begeben wir uns zügig in den Frühstückssaal. Wir sind die ersten. Nach uns kommt ein junges Pärchen mit einem völlig identischen geflochtenen Zopf. Sie ist hier, weil sie ihre Großtante Christa besucht, die Nonne ist im Kloster Bestwig. Die beiden fahren wie wir mit dem Fahrrad die Ruhr aufwärts.

Gegen 10:00 Uhr checken wir aus an der Rezeption. Die Räder stehen schon fertig bepackt draußen vor der großen Glastür. Es ist eiskalt und nieselt leicht. Johannes und ich ziehen Handschuhe und Stirnbänder an. Röbi hat nur einen Schal mitgenommen. Er lehnt es ab, das Regencape anzulegen. Diese Abneigung kennen wir schon von ihm. Der Radweg geht von Bestwig aus noch eine Weile an der Bundesstraße entlang. Im Stadtteil Ostwig, der viel mehr Charme besitzt als Bestwig, finden wir eine Kirche geöffnet vor. Endlich kann ich einmal mein „Dona nobis pacem“ erklingen lassen.

Offenes Kirchenportal in Bestwig-Ostwig

In Olsberg durchqueren wir einen schön angelegten Park. Es ist so eisig kalt, dass wir von einem heißen Capuccino in einem warmen Café träumen. Und schon finden wir ein sehr ansprechendes Café namens Hagemeister. Die Wirtin weist uns einen Tisch am Fenster an, von wo aus wir unsere Räder im Blick haben. Johannes holt sich ein dickes Mohnkuchenstück mit Sahne, von dem er mir ein Sechstel abgibt. Röbi verzichtet auf Kuchen. Es ist urgemütlich in dem Café und warm. Es geht uns richtig gut. Bis ich plötzlich bemerke, dass ich unseren Zimmerschlüssel gar nicht abgegeben habe beim Auschecken. Das wird teuer. Zurückfahren kommt nicht in Frage. Wir sind schon 10 km weit gefahren seit Bestwig.

Zwei hilfsbereite Radwanderer vor einer Pfarrer-Kneipp-Figur in Olsberg an der Ruhr

Als wir das Café verlassen, treffen zwei Herren mit Fahrrädern ein. Ich spreche sie an in der Hoffnung, dass sie meinen Zimmerschlüssel mitnehmen und im Kloster Bestwig abgeben. Sie bieten es tatsächlich von sich aus an, als ich ihnen von meinem Missgeschick erzähle. Die beiden sind ohne Motorunterstützung unterwegs. Sie sind in Winterberg gestartet und planen, zunächst bis Duisburg zu fahren, danach am Rhein entlang bis Koblenz. Eine Zwei-Wochen-Tour. Ich bin froh über das großzügige Angebot der beiden und bedanke mich herzlich.

Olsberg ist eine Kneippstadt. Überall sind Skulpturen aufgestellt, die einen Mann in langem Gewand bei der Beinwaschung zeigen. Auch vor unserem Café ist eine solche Skulptur aufgestellt. Wir verabschieden uns vor der Kneippkulisse von den freundlichen Herren, die jetzt das gemütliche Café betreten, und machen uns auf die Suche nach dem Ruhrtalradweg. Wie schon so oft finden wir nicht auf Anhieb den Anschluss an die Radwanderstrecke wieder. Wir fahren in einem großen Kreis herum, der uns wieder an dem Café vorüberführt, aus dessen Fenster uns die beiden Radwanderer spöttisch lächelnd zuwinken. Die Strecke führt jetzt immer hochsauerlandmäßiger anmutend durch grüne Landschaft, vorbei an dem Olsbach-Stausee mit Schwan.

Olsbachstausee mit Schwan am Ruhrtalradweg

Gegen Mittag endlich verziehen sich die Wolken und die Sonne kommt zum Vorschein. Bei Niedenfeld stoßen wir auf eine einladende Picknickbank. Dort pausieren wir für ein halbes Stündchen und genießen unsere Klosterbrötchen. Bis zur Ruhrquelle sind es jetzt nur noch 6 km. Unten im Tal sehen wir die Ruhr als kleines Wiesenbächlein durch Kuhweiden plätschern. Einmal passieren wir einen Minizufluss, der als flache Pfütze unseren Weg kreuzt.

Nebenarm der noch winzig kleinen Ruhr in Winterberg

Die Ruhrquelle ist hoch oben im Wald durch eine runde Mauereinfassung und einen gravierten Stein markiert. Wir treffen dort auf ein Wandererehepaar. Sie erzählen uns, dass sie den ganzen Rothaarsteig gehen. Wir finden, dass neben dem Radwandern auch das Wandern auf Fernwanderwegen ohne Rad eine coole Weise der Urlaubsgestaltung ist.

Angekommen an der Quelle der Ruhr

Wir lassen uns von der Ruhrquelle aus per Google-Maps zu unserem Hotel Herrloh in Winterberg leiten. Zunächst scheint uns die Streckenführung überaus abenteuerlich. Es geht noch weiter hoch quer durch tiefen Wald bis wir auf einer hoch gelegenen Straße auskommen, die einen weiten Ausblick über das Sauerland und auf Winterberg hinab bietet. Das Hotel liegt ein wenig außerhalb der Innenstadt. Es wird von einem Niederländer nordafrikanischen Aussehens geführt. Er will uns gleich für den Abend einen Platz in seinem Restaurant reservieren. Wir möchten ihn nicht vor den Kopf stoßen, obwohl wir uns eigentlich noch nicht so gerne festlegen wollen. Wir reservieren zwar, haben aber im Hinterkopf, dass wir den Tisch gegebenenfalls noch absagen können.

Der Sauerland-Boulevard, die Hauptflaniermeile von Winterberg

Nach einer ausgiebigen Pause treffen wir uns wieder und brechen zu einem Ausflug ins Zentrum von Winterberg auf. Es kommt uns vor, als konzentriere sich Winterberg hauptsächlich auf eine lange Hauptstraße, den Sauerland-Boulevard, an dem alle Geschäfte und Restaurants des Ortes liegen. Wir laufen bis zum Marktplatz und schauen uns bei allen Restaurants die Speisekarten an. Entweder spricht uns das angebotene Essen nicht an oder das Lokal hat heute gerade nicht geöffnet. Wir entscheiden am Ende, doch den reservierten Tisch im Hotel Herrloh in Anspruch zu nehmen.

Gastraum des Hotels Herrloh voller niederländischer Motorradfahrer

Wir betreten den sehr ansprechend eingerichteten Gastraum des Hotelrestaurants und lassen uns an dem für uns vorgesehenen runden Tisch nieder. Die restlichen Tische sind alle besetzt von einer großen Gruppe von Niederländern unterschiedlichsten Alters. Schon während wir die Speisekarte studieren, merken wir, dass der Geräuschpegel im Saal unaushaltbar ist. Die Männergesellschaft beherrscht die gesamte Akustik. Es wird lauthals diskutiert und gelacht. Eine Unterhaltung zwischen uns dreien ist völlig ausgeschlossen. Wir fragen den Wirt nach einer Lösung unseres Problems und erhalten schließlich einen Hochtisch in der äußersten, der Gesellschaft diametral entgegengesetzten Raumecke hinter dem Ausschanktresen. Johannes müssen wir sehr überreden, mit uns umzuziehen. Er sitzt nicht gerne auf einem Barhocker. Dort hören wir die Herren zwar immer noch ziemlich laut. Zumindest können wir uns jetzt aber gegenseitig einigermaßen verstehen.

„Ruhiges“ Eckchen am Hochtisch im Restauranthotel Herrloh

Beim Frühstück am nächsten Morgen werden wir den Niederländern wieder begegnen. Sie sind am Morgen zum Glück sehr viel leiser als am Abend. Wir kommen mit ihnen ins Gespräch und erfahren, dass sie alle Kollegen sind. Sie arbeiten im niederländischen Verkehrsministerium. Einmal im Jahr unternehmen sie gemeinsam einen großen Motorradausflug mit Übernachtung.

Für heute haben wir genug von der dröhnenden Geselligkeit und ziehen uns schon früh in unsere Gemächer zurück, nicht ohne uns noch einmal ein kühles Pils zapfen zu lassen. In der Loungeecke des Zimmers von Johannes und mir lassen wir noch ein wenig die wunderbaren sechs Radwandertage Revue passieren. Morgen wird uns dann die Deutsche Bahn nach dem Frühstück wieder nach Essen zurückbringen.

Rückkehr nach Essen mit der Deutschen Bahn

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